Mittwoch, 6. Januar 2010

Prolog (3)


Er bleckte die Zähne und knurrte, so als könne er sich nicht daran erinnern, dass er einstmals kein Tier gewesen war. Seine Sinne waren in der langen Zeit der Gefangenschaft geschärft worden, doch konnte er die Nähe zu anderen Lebewesen noch längst nicht ertragen. Als er sich der Gestalten bewusst wurde, zog er seine Muskeln zusammen und setzte zum Sprung an. Doch ehe er überhaupt dazu kam, hob die Frau an zu sprechen: „Gehorche!“
Der Schatten lachte rau.
„Gehorche!“, wiederholte sie, nicht im mindestens beleidigt.
In den Augen blitzte es und er knurrte, als er sprang. Keinen Schritt vor der Anführerin blieb er mitten in der Luft hängen, als hätte man ihn in Stein gehauen. Etwas hielt ihn fest und als er verstand, dass sie dies mit Magie zuwege brachte, schrie er seinen Zorn darüber in die Nacht hinaus. Doch er konnte sich noch immer nicht rühren. Schließlich lachte er, weil ihm klar wurde, dass man ihm nicht schaden wollte, denn wäre es so, er würde längst nicht mehr leben.
Sie kam näher und ihre Nase berührte fast sein Kinn, als sie ihm lächelnd mit den weichen Fingerspitzen langsam über die Wange fuhr. An ihrer Stimme jedoch war nichts sanft. „Ich bin Xanaide. Ich bin deine neue Meisterin.“
Ein schöner roter Knospenmund und helle, blaue Augen. Unter der Kapuze musste gelbes Haar liegen, das hatte er immer am meisten gemocht. Sicher keine Schande, einer wie dieser zu dienen. Einer Zauberin und einer unglaublich mächtigen noch dazu. Die Bande, die ihn über Jahrhunderte hinweg gebunden hatten, waren von den sieben stärksten Magiern seiner Zeit gesprochen worden.
Und er brauchte Zeit, um sich zu orientieren.
„Befiehl mir, Meisterin“, sagte er krächzend, weil seine Stimme viel zu lange unbenutzt gewesen war und er sie – wie vieles andere auch – erst wieder schärfen musste.
Sie lächelte und trat einen Schritt zurück, ohne den Blick von ihm zu nehmen. „Oh, es wird dir nicht missfallen, was ich dich tun lassen werde.“ Ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Dein Hass auf alles was magisch ist und jene, die Magie ausüben muss grenzenlos sein.“
Er runzelte die Stirn und es grollte ungewollt in seiner Brust, was sie zu erfreuen schien.
„Was, wenn ich dir sage, dass die Ära der Türme enden wird? Was, wenn ich dir sage, dass eine neue Art im Begriff ist zu entstehen?“
Sie hatte ihn mit diesen wenigen Worten mehr an sich gebunden, als es jeder Zauber oder jede Eisenkette es jemals vermocht hätten. Er drehte den Kopf zu den anderen Gestalten, die er nur unscharf erkennen konnte und seine Augen weiteten sich vor aufkeimenden Interesse. Das Weib glaubte, was es sagte und sie war aus vielerlei Gründen fähig, wahr zu machen, was sie wollte. Sie musste jedoch entweder komplett verrückt sein oder unheimlich begabt. Er lachte kurz, als er sich daran erinnerte, dass man ihm selbst auch beides nachgesagt hatte.
Sie drehte sich von ihm fort und mit dem Rücken zu ihm, deutete sie ihren Gefährten an, ihn loszulassen. Unsanft kamen seine bloßen Füße auf dem Boden auf.
„Merke dir meinen Namen gut“, sprach sie, ohne sich umzuwenden. „Verkünde ihn jenen, die nicht auf unserer Seite stehen – und wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“
Sie wollte also deren Tod.
„Xanaide.“ Sie drehte sich so heftig um, dass ihr die Kapuze vom Kopf rutschte und den Blick auf Haar frei gab, dessen roter Schein nicht einmal vom Dunkel der Nacht überdeckt wurde. „Xanaide, die neue Herrscherin über dieses Land. Xanaide, die Schöpferin des achten Turms.“
Ihr Lachen begleitete ihn fortan durch seine Träume.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Habe gerade eine Logiklücke entdeckt: Xanaide hält diesen Schatten-Typ mit ihrer Magie. Aber am Ende heißt es dann, dass sie ihren Gefährten bedeutet, ihn loszulassen.

Jadé Lynn hat gesagt…

Danke dafür! Man liest es so oft und kommt trotzdem nicht drauf :-)
Ich habe es jetzt in "Prolog (gesamt)" geändert.
Vielen, vielen Dank.

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