Sonntag, 24. Januar 2010

Kapitel 2 (5)


Reyna war heute spät dran, als sie aber schließlich erschien, hatte sich ein breites Lachen über ihr Gesicht gebreitet.
„Ich bin befördert worden!“, verkündete sie stolz.
Noe atmete auf. „Schön“, sagte sie noch immer ungehalten. Sie hatte extra auf Reyna gewartet mit dem Abendessen und sich gefreut, dass sie mal wieder Zeit miteinander verbringen konnten.
„Ja, nicht wahr? Stell dir vor, ich werde persönliche Assistentin von Zephyrim!“
Noe klappte die Kinnlade nach unten. „Was?!“ Sie würde wirklich bei einem Magier arbeiten und ihre Befehle direkt von ihnen erhalten? Freiwillig?
„Zephyrim, den kennst du doch. Er suchte jemanden und ich habe mich angeboten und nun verdiene ich mehr als doppelt so viel. Ist das nicht toll?“
Also Noe wäre noch einiges andere eingefallen, was das war, aber sicher nicht toll. „Du solltest vorsichtig sein und dich nicht von dem Verdienst blenden lassen“, knurrte sie. „Das bringt nur Probleme, wenn man sich mit denen einlässt.“
Irgendetwas polterte zu Boden und Reyna atmete übertrieben laut aus. „Jetzt hör aber auf! Wenn man dich so reden hört, könnte man glatt glauben du würdest der Schwarzen Garde angehören.“
Noe zuckte zusammen, weil sie sich ertappt fühlte, dabei war da ja wohl wirklich nichts dabei. Und Reyna hatte es nur so gesagt, nicht wirklich daran glaubend.
„Wenn du meine Meinung nicht hören willst, dann bitte schön!“, giftete Noe zurück.
Ihr erster großer Streit und er nahm Züge an, die keine von ihnen gewollt hatte. Also sagten sie nichts mehr und das volle drei Tage lang.


Samstag, 23. Januar 2010

Kapitel 2 (4)


Auf den Hauptverkehrsadern ging es recht belebt zu, im Gegensatz zu gewöhnlichen Tagen. Noe achtete darauf, unerkannt ein Teil der Masse an Körpern zu bleiben und sich dem Treiben anzupassen. Dass sie in die entgegengesetzte Richtung des Turmes wollte, machte es ihr dabei aber nicht besonders einfach und sie schuf sich ein hohes Maß an Konzentration.
Espiral war seit einigen Wochen randvoll mit Draaks und sogar Hyden und niemand wusste wieso. Es war fast, als würden diese aus dem Norden stammenden Lebewesen vor etwas fliehen und sich nun nach einer neuen Siedlungsmöglichkeit umsehen. Sie strebten unaufhaltsam dem Turm zu, da sie sicher die Hilfe der Magier dabei in Anspruch nehmen wollten, von denen auch einige diesen Völkern angehörten. Noe schnaubte.
Draaks waren gar nicht in der Lage zusammenhängend zu denken und es musste ein Akt der Höflichkeit der Turmmagier sein, einen von ihnen in ihre Reihen aufzunehmen. Höflichkeit und die Hoffnung, dass sich diese hässlichen Krötenwesen ruhig verhielten und keinen Ärger machten.
Die Hyde waren filigrane, blauhäutige Wesen mit durchschimmernder Haut, die eigentlich in keinem anderen Klima, als dem des hohen, tiefen Nordens überleben konnten. Wie sie sich das Leben hier in dieser völlig anderen Klimazone vorstellten, war Noe nicht ganz klar. Vielleicht hatten aber all diese Völker auch einen völlig anderen Grund sich hier aufzuhalten. Wer wusste das schon? Sie knirschte mit den Zähnen, als ihr klar wurde, dass es darauf nur eine Antwort gab: Die Magier. Und wieder einmal waren sie alle diesen hilflos ausgeliefert.
Nein, nicht hilflos. Eine Schutzwehr hatten die Bewohner noch.
Die Schwarze Garde.
Eine Organisation, der auch Noe angehörte, die im Geheimen operierte und sich dem Schutz der freien Welt vor den Magiern verschrieben hatte. Sie existierte schon einige Jahrhunderte, aber erst in den letzten fünfzig Jahren war Bewegung in sie gekommen, als sich einige der kleineren Kasten zusammengeschlossen und entschieden hatten, einen gemeinsamen Vorsitzenden zu wählen.
Noe murrte ungehalten, als sie warten musste, weil die Kreuzung total verstopft war mit Sänftenträgern und Valdronenreitern. Noch nicht ganz aus der Stadt hinaus, hatten man den grünzüngigen, stinkenden Tieren bereits die Maulkörbe abgenommen und die Sänftenträger hatten alle Hände voll zu tun, sich die Viecher vom Leib zu halten. Noe ging auf Abstand und rieb sich die Nase, weil der Geruch einfach unerträglich war. Sie bleckte die Zähne, als sie daran denken musste, dass sie sehr viel schneller voran kommen würde, wenn sie sich nach oben auf die Dächer der Stadt absetzen würde, wie sie es in der Nacht meist tat. Am Tag allerdings war es ihr verboten worden, weil man schließlich nie wissen konnte, wer darauf aufmerksam wurde.
Sie bog noch mehrmals ab und schlenderte dann unauffällig in eine der kleinen Seitengassen. Dort wartete sie und lauschte, aber als alles ruhig blieb, ging sie zu einer Tür, die halb in einem Haus und halb im Boden eingelassen worden war.
Von der Straße aus konnte Noe nicht mehr gesehen werden und sie war sich auch ziemlich sicher, dass ihr niemand gefolgt war. Also hob sie das sperrige Holz, das trotzdem nicht einen Laut von sich gab, vorsichtig an und verschwand dann im Inneren.


Donnerstag, 21. Januar 2010

Mittendrin - Zusammenfassung


Heute gibt es mal eine Mittendrin-Zusammenfassung.
Nach einigen neugierigen und einigen sehr positiven Rückmeldungen, purzelten mir in den letzten Tagen einige kritische Stimmen ins Haus.

Die meistgestellte Frage war, was ich mit dem Blog bezwecke.
Nichts. Ich möchte einfach nur eine Geschichte schreiben - auf eine Art und Weise, die sicher von keinem Schreibratgeber empfohlen wird - und sie geneigten Lesern vorstellen. Ein wenig Unterstützung sammeln und allen, die das gern möchten, die Möglichkeit bieten, an der Handlung mitzufeilen.

Ob ich keine Angst vor Diebstahl hätte?
Doch und wie. Aber so ist das Leben leider. Vielleicht werde ich irgendwann den Blog nur noch geladenen Gästen zur Verfügung stellen, wer weiß. So weit ist es aber noch lange nicht.

Auf Twitter bin ich gefragt worden, (Zitat) ob ich sie noch alle hätte, die Erstveröffentlichung sei hin.
Tassen und Latten am Zaun sind alle noch da, keine Sorge. ;-)
Ich bin mir bewußt darüber, dass viele (Hobby-) Autoren ihre Werke hüten wie den allergrößten Schatz. Dass ich eine meiner Geschichten so offen darstelle, heißt nicht, dass sie mir egal ist oder mir nichts bedeutet. Im Gegenteil. Aber warum so heftig, nur weil ich sie den Lesern quasi kostenlos zur Verfügung stelle? Ich kann das leider nicht so ganz nachvollziehen.

Den Hinweis, die Leserschaft sorgfältiger auszuwählen - jetzt kann ja praktisch jeder, der über einen Internetzugang verfügt, mitreden - möchte ich so nicht gelten lassen. Mir ist egal, wer hier mitliest oder mir einen Hinweis gibt. Ihr müsst nicht studiert haben oder über Fünfundzwanzig sein. Oder was auch immer.
Solange ihr gerne lest und bei einem Hobbyprojekt und ganz offensichtlichen Experiment mitwirken wollt, seid ihr herzlich Willkommen!

Was bedeutet Jadé Lynn?
Es bedeutet meines Wissens nach nichts. Jade als Name hat mir nur schon immer gefallen, der kleine Strich über dem "e" kam erst vor kurzem hinzu.

Ich danke allen, die mir ihre Meinung mitgeteilt haben! Alle Anregungen sind Willkommen und ich finde es toll, wie sehr mich mancher Satz zum Nachdenken bringt.
Wer also noch etwas sagen will, sich im Blog aber nicht traut, der kann es unter der_achte_turm[at]gmx.de tun. Ich antworte garantiert!


Mittwoch, 20. Januar 2010

Kapitel 2 (3)


Reyna sah sie stirnrunzelnd an.
„Ich finde, es steht dir sehr gut, ich weiß gar nicht, was du hast.“
Noe sah ihre Zimmergenossin zornig an.
„Es ist rot und hat Stickerein am Ärmel!“, warf sie ihr vor. „So gehe ich auf keinen Fall auf die Straße!“
Reynas Mundwinkel zuckten, aber sie ahnte wohl, dass Noe das ganz und gar nicht komisch fand, beließ es dabei und lachte nicht.
„Ach, komm schon. Wir werden sicher einen wunderschönen Abend haben.“
Noes Blick glitt über das andere Mädchen. Ein hübsches Kleid, ganz in Blau, das die Farbe ihrer Augen betonte und die passende Umrahmung für die fraulichen Züge Reynas bildete.
„Ich tanze auch mir dir!“, versprach diese.
Noe atmete heftig aus und gab sich geschlagen. „Also schön.“ Erschreckt erkannte sie, dass sie sich nun wirklich auf das Fest freute.
Reyna strahlte übers ganze Gesicht und schien enttäuscht, als Noe nicht mit einfiel.
„Lächle“, flüsterte sie traurig. „Lächle bitte nur einmal.“
Noe sah sie irritiert an. „Was?“
„Niemals sehe ich dich lachen, immer bist du so ernst. Bitte lächle. Nur ein einziges Mal, nur für mich“, bat sie sanft und streckte ihr die zarten Finger entgegen.
Noe schluckte. Dann sah sie auf und ihr Blick wurde von Reynas leicht schimmernden Augen gefangen, die fragend und beinahe flehend auf eine Antwort warteten. Blau, so blau. Das sich jemand so um Noe sorgte, schuf eine Wärme um ihr Herz, die sie bisher kaum gekannt hatte und sie spürte, wie ihre Gesichtszüge weicher wurden und sich ihre Mundwinkel nach oben zogen. Sogleich tat Reyna es ihr nach, umarmte sie kurz und zog sie dann hinter sich aus der Tür.


Dienstag, 19. Januar 2010

Kapitel 2 (2)


Noe drehte in sich gekehrt die Benachrichtigung aus dem Turm in ihren Händen hin und her. Reyna ginge es gut und sie würde einige Tage im Auftrag der Magier unterwegs sein, stand dort. Mehr nicht.
In dem kleinen Raum, den beide noch immer bewohnten, sah es aus, als wäre ein Wirbelsturm hindurchgefahren, denn der Tisch war komplett in sich zusammengesackt und ließe sich sicher nicht mehr reparieren. Zudem war auch das Geschirr zerbrochen und aus den schönen, ledergebundenen Büchern fehlten ganze Seiten. Reyna musste das sehr mitgenommen haben.
Einige Tage. So lange war Reyna noch nie fort gewesen und überhaupt hatte man sie nur selten irgendwohin geschickt. Alles, was sie normalerweise zu tun hatte, war dafür zu sorgen, dass dieser Magier sich noch in seinen eigenen vier Wänden zurechtfand. Sie hatte oft berichtet, wie wirr und durcheinander es in seinen Räumen im Turm oft war und dass er ständig etwas suchte.
Vielleicht war ja überhaupt nichts dabei, dass man sie fort geschickt hatte, aber vielleicht bedeutete es auch etwas Ernstes. Noes Verstand war inzwischen geschult genug, um eins und eins zusammenzuzählen. Die jüngsten Ereignisse in Espiral und auch darüber hinaus, waren beunruhigend genug. Das Verhalten ihres eigenen Meisters ebenso.
Langsam drehte Noe auch die schwarze Rabenfeder zwischen ihren Fingern hin und her. Dieser komische Vogel war also hier gewesen, um dafür zu sorgen, dass Reyna auch wirklich zum Turm ging und das gefiel Noe nicht, nein, ganz und gar nicht. Und das nicht nur, weil das gefiederte Tier auch immer um das Hauptquartier der Schwarzen Garde herum zu finden war und sich so überhaupt nicht wie ein Vogel benahm.
Da war etwas im Gange, dem sich keiner mehr entziehen konnte und in das man nun auch Reyna mit hinein gezogen hatte. Dabei hatte Noe sie gewarnt! Mit Magiern ließ man sich einfach nicht ein, das Ergebnis war jedes Mal eine verflucht große Katastrophe!
Sie atmete wütend und mit einem Laut, der wie ein Fauchen klang, aus. Es machte keinen Sinn hier zu warten und sich weiter zu fragen, was wohl passiert sein mochte. Am besten war, sie meldete sich bei ihrem Meister zurück. Er würde wissen wollen, ob letzte Nacht alles gut gegangen war und vielleicht wusste er ja auch schon mehr über diese neuerliche Untat des fünften Turmes.
Sie bückte sich dann aber doch noch und hob die Bücher auf. Die losen Seiten sammelte sie ein und versuchte mit einem Ärmel den Schmutz abzuwischen. Es machte wenig Sinn, aber wenigstens hatte sie es versucht. Sorgfältig legte sie alles auf das Bett, auf dem es die größte Chance haben müsste, nicht wieder durch die Gegend geworfen zu werden. Reyna wäre tief traurig, wenn sich von den Schriften nichts mehr retten ließe.
Vor der Tür auf dem Gang, der jedes Mal schäbiger aussah, wenn sie ihn betrat, kam ihr der dickbäuchige Hausverwalter entgegen. Er war blass, doch bildete sich auf seinen Wangen immer wieder dann Zornesröte, wenn er einen neuen Riss oder abgebrochenen Putz entdeckte.
Noe dachte ja gar nicht daran den Mann zu grüßen, wie Reyna es getan hätte. Zwar mochte diese ihn auch nicht besonders, aber sie freute sich jedes Mal, wenn er sich über ihr Lächeln ärgerte, weil er darauf nie etwas zu antworten wusste.
„Heda!“, sprach er die junge Frau missmutig an. „Heute Abend findet eine Hausversammlung statt, wegen der Schäden.“ Er würde sicher eine Mietpreiserhöhung ankündigen. Ach, sollte er doch, sie hatte Wichtigeres zu tun. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, ging sie an ihm vorbei. Auch, als sie schon ein Stockwerk tiefer war, hörte sie ihn immer noch schimpfen und ein Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht.


Montag, 18. Januar 2010

Kapitel 2 (1)


„Hier ist dein Zimmer“, sagte der dickbäuchige Mann mit den lichten, grauen Haaren. Er grinste hämisch und Noe sah sofort, dass er allen Grund dazu hatte. Ein Mädchen mit braunen Haaren erhob sich, als sie den Hausverwalter und ihre zukünftige Zimmergenossin erblickte.
„Was soll das bedeuten? Mir ist zugesichert worden, dass ich allein wohnen kann!“ Noe hatte wütend die Stirn gerunzelt und gern ihre Hände um den Hals des hässlichen Mannes gelegt.
„Das mag sein“, antwortete der ihr in einem ätzenden Tonfall. „Aber es ist sonst nichts frei und auch sie hat Gönner.“ Er sagte das, als sei es ein Verbrechen.
Noe schluckte ihre harten Worte hinunter, denn zumindest heute würde sie keine andere Bleibe mehr finden, dazu war es einfach zu spät. Morgen dagegen war ein neuer Tag mit neuen Möglichkeiten. Also nickte sie den, um einen Kopf kleineren, Mann zähneknirschend an, der sich seinen Triumph deutlich ansehen ließ.
Sie knallte ihm die Tür vor der Nase zu, warf ihr Bündel achtlos in den Schrank, wandte sich dann der Fensterfront zu und ignorierte gekonnt das andere Mädchen.
Die Aussicht war mies, eine kleine dreckige und stinkende Gasse lag zwischen diesem und dem nächsten Haus. Sie könnte ohne große Mühe der Familie hinter dem Fenster gegenüber auf das Abendessen spucken.
„Ich bin Reyna“, sagte die andere plötzlich hinter ihr und Noe seufzte tief auf. Es interessierte sie nicht sonderlich, aber diese eine Nacht mussten sie wohl oder übel miteinander auskommen.
„Noe“, antwortete sie ihr also, ohne sich umzudrehen.
„Ich schlafe auf dem Boden und morgen suche ich mir etwas Neues.“ Die Stimme der anderen war rein und ohne Anklage. Noe drehte sich überrascht um. Die großen, blauen Augen ihres Gegenübers strahlten sowohl etwas ehrliches, als auch etwas schalkhaftes aus.
„Wieso willst du das tun?“, fragte Noe bedächtig. Irgendwie rechnete sie mit einer Hinterhältigkeit, die es an dem anderen Mädchen – Reyna, erinnerte sie sich – nicht gab.
„Man hat uns beide betrogen. Auch mir ist ein Raum für mich allein zugesagt worden, aber das lässt sich heute nicht mehr ändern.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Außerdem wird es mir nicht schwer fallen, etwas anderes zu finden.“
Sie sagte das, als wäre es wirklich nichts besonderes, in dieser überfüllten Stadt.
Noe runzelte die Stirn. „Für mich wäre es auch kein Problem!“ Um das mal gleich klar zu stellen.
Reyna lächelte. „Ich weiß. Lass es mich trotzdem tun.“
Noe wusste zunächst nicht, was sie dazu sagen sollte. Aber dann zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. „Nein!“
Die andere wirkte überrascht. „Dann willst du ...“
Noe unterbrach sie harsch. „Nein, wir werden uns das Bett teilen, es ist groß genug.“ Niemand war überraschter über diese Worte, als sie selbst. Gekonnt redete sie sich ein, dass sie einzig und allein diesem Glatzkopf von Hausverwalter seinen Triumph nicht gönnte, denn wie sollte sie Vertrauen zu jemanden gefasst haben, den sie keine halbe Stunde lang kannte?
Das Lächeln Reynas schloss ihre Augen mit ein und es war, als würden die Kerzen mit einem Mal heller scheinen.
„Dann lass es uns hinter uns bringen?“ Sie zwinkerte und ging hinüber zu dem kleinen Beistellschrank neben der Tür, auf dem es Krug und Wasser gab.
Noe schluckte, drehte sich wieder dem Ausblick aus dem Fenster zu und fragte sich, welcher Dämon sie dazu bewogen hatte dies zu tun. Eine Fremde; fast, nicht mehr so ganz.
Sie schloss seufzend das Fenster, zog Stiefel und Socken aus und legte sich dann eng an die Wand. Reyna folgte bald, nachdem sie noch etwas im Schrank gekramt hatte und legte sich dazu.
Sie roch schwach nach Veilchen.


Sonntag, 17. Januar 2010

Zusammenfassung Woche 2


Diese Woche war sehr einfach. Denn nachdem ich den bereits existierenden Prolog völlig neu geschrieben habe, habe ich Kapitel 1 fast vollständig übernommen und nur kleinere Dinge verändert - Sätze gestrichen/ hinzugefügt, mehr Details usw.
Nun geht es wirklich ums Eingemachte, denn jetzt bin ich völlig auf mich allein gestellt.

10.01. Kapitel 1 (2)
11.01. Kapitel 1 (3)
12.01. Kapitel 1 (4)
13.01. Kapitel 1 (5)
14.01. Kapitel 1 (6)
16.01. Kapitel 1 (8)

Kapitel 1 gesamt

Damit sieht das Konto wie folgt aus:
der 10.01. war ein Sonntag und an diesem musste ich aus der Woche davor etwas nachholen, was ein +/-/0 bewirkt hat. In dieser Woche habe ich einen Tag gut gemacht, was heißt, dass ich im Plus bin.
Fazit: 1 Tag im PLUS.

Ich wurde in einer E-Mail gefragt, für wen ich diesen Roman schreiben will. Nun, in erster Linie für mich selbst, denn ich möchte gern ins Schreiben zurückfinden. Ich habe auch festgestellt, dass dies hier wohl eher ein Jugendroman wird, weil die Akteure alle Jugendliche sind und ich im weiteren Verlauf eher "jüngere Themen" abhandeln will.
Ich schreibe aber auch für alle Leser, die schon immer mal gerne an einem Roman mitwirken wollten.

Fragen, die sich zum jetzigen Zeitpunkt für mich stellen:
Sollen die Drachen reine Tiere sein, die von Magiern (wie?) gelenkt werden oder sollen sie sprechen können oder etwas anderes?
Echsenartige Wesen in grau oder bunt (z.B. schwebt mir eine Art Rot und Grün vor)?
Der dritte Turm liegt in einem großen Waldgebiet. Welche Tiere, außer den uns bekannten, könnten dort noch leben?
Normaler Wald oder eher eine Art Regenwald? Warum?

Ich danke allen, die mir bisher weitergeholfen oder mir einfach Mut gemacht haben!


PS: Wer nicht öffentlich etwas sagen will, kann mir auch schreiben unter:
der_achte_turm[at]gmx.de

HANDLUNGSZUSAMMENFASSUNG

Im Prolog taucht die Zauberin Xanaide auf und befreit mit einigen Getreuen ein Wesen, das viele Jahrhunderte eingesperrt gewesen ist. Nicht mehr, als ein bloßer Schatten, kehrt das Leben nur langsam in dessen goldene Augen zurück.
Beide sind voller Hass auf die Magier und Xanaide gewinnt ihn für ihre Sache, die Ära der Türme enden lassen zu wollen.

In Kapitel 1 wird die junge Reyna durch Ereignisse mitgenommen, die sie nicht beeinflussen kann. Die Magier des fünften Turmes sind aufgeschreckt worden und haben die Drachen gerufen. Zephyrim, dem Reyna dient, sendet die junge Frau zusammen mit dem Magieschüler Glan Valdur und einem geheimnisvollen Amulett zum dritten Turm.


Kapitel 1 (gesamt)


Reyna schreckte hoch und wusste sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Verwirrt blinzelte sie in das Halbdunkel des Raumes und seufzte.
Der Tisch hielt sich gerade eben noch in einer gefährlichen Schräglage, da die Holzscheite unter seinem kurzen Bein verrutscht waren. Die Flasche, in der eine halb herunter gebrannte Kerze steckte, stand nach wie vor aufrecht in der Mitte des Tisches, aber nur, weil das nach unten getropfte Wachs sie dort festhielt.
Die in Leder gebundenen Bücher und die losen Blätter hatten weniger Glück gehabt. Sie waren unweigerlich auf den Boden gerutscht und teilweise sogar in das am Abend benutzte Geschirr gefallen.
Das war nicht gut, denn es waren nicht ihre eigenen Bücher und das mit dem Tisch in letzter Zeit einmal zu oft passiert. Zum Glück waren die Becher nicht aus Glas oder Porzellan, wie jene im Turm, denn sonst wäre ihnen ein unheilvolles Schicksal bestimmt gewesen. Aber auch das beständigste Holz bekam irgendwann unweigerlich ein paar Risse, wenn man es hin und her warf.
Sie rollte mit den Augen und wollte sich gerade aufsetzen, als der Boden erneut zu vibrieren begann. Erst ganz sacht, waren seine Bewegungen kaum zu spüren und sie glaubte schon, sich geirrt zu haben. Aber dann begann ihr Waschgeschirr auf dem kleinen Beistellschrank an der Wand gleich neben der Tür zu klirren und in dem Maße, wie der Boden seine Bewegungen verstärkte, so schwoll auch das Klappern an. Wie gut, dass die Schüssel, in die man das Waschwasser aus dem Krug goss, fest am Holz des Schrankes befestigt war.
Die Hände fest an den Bettkasten geklammert, wagte sie kaum zu atmen und wurde ziemlich durchgeschüttelt. Feiner Staub und Mörtel rieselten von Wand und Decke und bewegten sich wabernd durch die Luft. Einige der losen Blätter flatterten vom Tisch, auch das letzte Buch rutschte mit einem Knall zu Boden und verfehlte dabei nur knapp einen der Teller.
Reyna hustete, als die Erde wieder langsam zur Ruhe kam und hörte dann auch schon die ersten gedämpften Schreie. Wütend entspannte sie sich im Liegen und schloss die Augen. Es war doch jedes Mal das gleiche! Und schon wieder nicht angekündigt!
Mit einem heftigen Ausatmen schlug sie die Augen wieder auf und quälte sich lustlos aus dem Bett, denn an Schlaf war in dieser Nacht ohnehin nicht mehr zu denken.
Barfuss ging sie über die kalten Holzdielen durch die Gräue der endenden Nacht hinüber zur Fensterfront und öffnete das Glas, um hinauszusehen. Der Geräuschepegel nahm abrupt zu und sie roch sofort, dass wieder irgendetwas in Flammen aufgegangen war.
So weit nach vorn gelehnt, wie sie konnte, drehte sich Reyna mit aufgestützten Ellenbogen den Kopf nach rechts und sah hinauf zum Turm.
Die schlanke Konstruktion, die Reyna immer an eine langstielige Rosenknospe erinnerte und die sich bis weit in den Himmel zog, war hell erleuchtet. Hinter allen Öffnungen strahlte gelbes, grünes oder purpurfarbenes Licht, was bedeutete, dass jeder einzelne Magier an was auch immer hier geschehen war, beteiligt gewesen sein musste. Großartig!
Aber Zephyrim, ihr Arbeitgeber, sollte sich bloß nicht einbilden, dass sie diesmal so einfach darüber hinweggehen würde. So eine große Sache hätte nun wirklich angekündigt werden können und er hatte ganz eindeutig ein paar direkte Worte verdient!
Plötzlich blinzelte sie, als ihr Blick sich auf das obere Ende des Turmes richtete. War das Einbildung? Nein, die Knospe war tatsächlich in Bewegung geraten und schien sich zu öffnen. Doch da war noch mehr. Graue Schatten bewegten sich im Nebel.
Sie erschrak.
Die Magier hatten die Drachen gerufen? Dann musste etwas geschehen sein und etwas ernstes noch dazu. Aber was immer es war, es ging nur die Magier etwas an.
Die Leine, die sie zwischen ihrem Fenster und einem des Nachbarhauses gespannt hatte, um ihre Wäsche zu trocknen, pendelte hin und her, als sich ein Rabe auf ihr niederließ.
Reyna zuckte zusammen und wäre fast vorn über gefallen, konnte sich im letzten Moment aber noch fangen und starrte das Tier wütend an. Langsam hüpfte der Rabe näher und sie stöhnte.
Da öffnete sich im Haus gegenüber, schräg unter ihr im zweiten Stockwerk, ein Fenster und ein verschlafenes Gesicht starrte hinaus. Reyna lächelte und gab ihrer Freundin ein paar Augenblicke, um sich zu orientieren.
Zilli hatte unverkennbares rotes Haar, welches ihr in kurzen Wellen auf die Schultern fiel und ihre Sommersprossen auf der kleinen, spitz zulaufenden Nase wurden von Jahr zu Jahr immer mehr. Sie lebte zusammen mit ihrer Mutter und zwei Schwestern in einem Raum, der kleiner war als Reynas eigener, aber sie beklagte sich nie.
Zuerst starrte sie nach unten in die enge Seitengasse, die die beiden Häuser trennte. Als Kinder hatten sie noch mit ausgestreckten Armen durchlaufen können, aber jetzt waren sie beide der Enge dort unten entwachsen. Außerdem wurde es schon am frühen Nachmittag stockfinster da unten und man konnte nie wissen, was vor einem auf dem Boden lag und sich vielleicht gar noch bewegte.
Zilli reckte sich nun auch so weit vor, wie sie nur konnte und spähte hinauf zum Turm. „Verfluchte Magier“, brummelte sie ungehalten.
„Lass das nicht deine Mutter hören“, antwortete ihr Reyna halb mahnend und halb spöttisch mit grinsendem Gesicht.
Zilli ruderte, aus dem Gleichgewicht gebracht, kurz mit den Armen, fing sich dann wieder und blickte wütend nach oben. Als sie erkannte, wer da mit ihr gesprochen hatte, lächelte sie leicht verschämt und nickte. Dann deutete sie auf den Raben.
„Muss ja enorm wichtig sein, wenn er dir jetzt seinen Diener schickt.“
Reyna nickte. „Glaube ich auch.“
Zilli lächelte noch breiter.
„Und? Willst du dich nicht beeilen?“
Reyna schob, doch ein wenig errötend, die Lippen vor und schüttelte den Kopf. „Soll er doch sehen, wie er ohne mich zurechtkommt. Vielleicht begreift er ja dann, dass er auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut ist.“
Sie grinsten sich beide an, bis Zilli auf mehrere Rauchsäulen auf der gegenüberliegenden Seite des Turmes deutete. „Was denkst du, ist es diesmal?“
Reyna zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht wieder ein Kornspeicher. Oder eine der alten Mühlen.“
„Ich glaube, es ist die Brauerei.“
Sie sahen sich verschwörerisch in die Augen.
„Eine Tüte Saure Drops?“, fragte Reyna und Zilli nickte lächelnd.
„Ja gut, abgemacht. Aber jetzt muss ich sehen, was Mutter diesmal an Entschuldigungen findet“, erklärte sie mit einem Seufzer.
Reyna lächelte still in sich hinein. Zillis Mutter war hier in Espiral unter der Herrschaft des fünften Turmes geboren und das hatte sie natürlich sehr geprägt. Anders in etwa als ihre Kinder, die trotz der gleichen Herkunft kein so unerschütterliches Vertrauen in die Magier und ihre Türme besaßen.
Reyna schrak aus ihren Gedanken auf, als Schwalbe, der Rabe, vor ihr auf das Fensterbrett hüpfte. Sie musterte ihn, ohne das Gesicht zu verziehen und fragte sich nicht zum ersten Mal, wie Zephyrim diesem hässlichen Tier so einen Namen hatte geben können.
„Ja gut, komm rein. Ich bin gleich soweit.“
Missmutig ließ sie ihn hinein und schloss sorgfältig das Fenster.
Der Rabe schwebte mit ausgebreiteten Flügeln auf den gefährlich schräg stehenden Tisch und ließ sich auf der oben stehenden Kante nieder. Reyna wusste nie wieso, aber in diesen Momenten hatte sie immer das Gefühl, er mache sich über sie lustig.
Heftig ausatmend wandte sie sich ab und streifte sich das Nachthemd über den Kopf. Das Wasser auf dem Beistellschrank war noch genau dort, wo es sein sollte und Reyna war wieder einmal froh über Noes Voraussicht. Ihre Zimmergenossin war zwar nur zwei winzige Jahre älter, aber verhielt sich stets so, als seien es zwanzig.
Hinter ihr erklang ein lauter Rumps, als der Tisch unter Schwalbes Gewicht doch noch nachgab und in sich zusammenfiel. Reyna zuckte zusammen und runzelte wütend die Stirn.
„Sieh dir das an!“, fuhr sie den schwarzen Vogel an, der sich auf das Bettgestell gerettet hatte. Es war ja eigentlich nicht seine Schuld, aber sie war so wütend, dass sie gern jemanden angeschrieen hätte. Vorzugweise Zephyrim, aber der war nicht da – und selbst wenn, sie hätte es niemals gewagt gegen ihn das Wort zu erheben – und so musste eben sein Diener herhalten.
„Das werde ich melden und du wirst mir alles davon ersetzen!“ Wobei sie sich nicht sicher war, ob dieses seltsame Tier irgendetwas besaß oder überhaupt nur über sich selbst entscheiden konnte.
Sie spürte, wie er sie beobachte, als sie sich bückte, um die Bücher zu retten. Sein Blick kam ihr wie immer so durch und durch menschlich vor, dass ihr mit Nachdruck bewusst wurde, dass sie noch immer nackt im Zimmer stand.
Sie blinzelte ihn wütend an, ließ sich allerdings Zeit damit, zum Schrank zu gehen, um ihre Sachen zu holen. Jene von gestern Abend musste Noe mitgenommen und in die Wäscherei gegeben haben. Sie arbeitete seit kurzem Nachts, was aber noch niemand weiter wusste. Wie immer fühlte Reyna dankbare Zuneigung zu dem hellhaarigen Mädchen und nahm sich vor, dieses mit etwas Schönem zu überraschen.
Als sie die braune, eng anliegende Hose trug und darüber das weiße, einfache Hemd, den dunkelgrünen Wams, der hinten bis an die Knie reichte, vorn bis knapp zur Hüfte, fühlte sie sich bedeutend wohler. Sie schlurfte hinüber zum Bett und griff, auf diesem sitzend, zu ihren Socken. Danach zwängte sie sich in ihre knielangen, schwarzen Stiefel und nahm, noch im Aufstehen, ihren weinroten, bodenlangen Umhang.
„Zufrieden?“, maulte sie den Raben an und deutete seine Kopfdrehung als Zustimmung. „Ist ja gut, ich mach ja schon.“
Sie hielt ihren rechten Arm ausreichend lange neben sich, dass Schwalbe auf ihm Platz nehmen konnte und öffnete die Tür.
In den meisten anderen Räumen war schon niemand mehr, wurde Reyna schnell klar, als sie auf dem Flur stand. Keinerlei Geräusche, kein Knarren, Scheppern oder Fluchen war zu hören. Die meisten Bewohner dieses Hauses hatten, anders als Reyna und Noe, Familie und Freunde am Stadtrand beim Turm und dieser war für gewöhnlich am heftigsten betroffen. So war also alles auffallend still und Reyna nahm an, dass obendrein noch eine Versammlung auf einem der zentralen Plätze einberufen worden war. Die Herolde mussten hier schon vorbeigekommen sein und sie runzelte etwas verärgert die Stirn. Es hatte ihr niemand bescheid gesagt und dabei müssten alle wissen, wie tief ihr Schlaf war und dass man auf ihrer Seite des Hauses nichts von den Dingen mitbekam, die auf der Hauptstraße passierten. Nun gut, vielleicht hatten die anderen auch gedacht, Noe hätte ihr schon bescheid gesagt, aber diese musste noch bei ihrem geheimnisvollen Arbeitgeber sein, was ihre Nachbarn nicht wissen konnten, da Noe das nicht wollte.
Versöhnlicher gestimmt setzte Reyna ihren Weg fort und ignorierte standhaft das antreibende Ziepen von Schwalbes Schnabel in ihren Haaren.
Auf der Treppe blieb sie kurz stehen und betrachtete stirnrunzelnd die feinen Risse, die die Wände bekommen hatten. Da musste der Hausverwalter sicher einen Bauherren holen lassen und würde dies garantiert auf den Mietpreis aufschlagen. Der missmutige, dickbäuchige Mann wartete schon ein volles Jahr darauf, genau das tun zu können und nun war seine Gelegenheit da.
Im zweiten und schließlich im Erdgeschoss bot sich ihr das gleiche Bild. Manchmal waren auch kleinere Stücken von den Wänden gebrochen und feiner Staub rieselte durch die Luft. Seufzend öffnete Reyna die Tür, die nach draußen führte. Also wenigstens hätten die Magier es ankündigen können! Es war ja im Prinzip nichts dagegen einzuwenden, dass sie ihrer Magie nachgingen, ganz im Gegenteil, es erleichterte ja ihrer aller Leben ungemein. Doch musste es immer in Erdbeben, Gewitterstürmen und Feuerkugeln enden?
Mit einem Schaudern dachte sie an ihren ersten Tag bei Zephyrim, als sie etwas berührt hatte, was sie nicht hätte berühren dürfen. Das war ihr eine Lehre gewesen und sie hatte danach nie wieder den Wunsch verspürt, dies zu wiederholen. Oder gar selbst die Kunst der Magie zu erlernen, so wie Zephyrim es ihr angeboten hatte, als er merkte, dass sie sich eingehender mit gewissen Dingen beschäftigt hatte, als seine früheren Gehilfen.
Auf der Straße herrschte ein reger Menschenverkehr, obwohl auch gelegentlich Angehörige anderer Rassen zu entdecken waren. Und natürlich die in Rot und Gold gekleideten Lakaien, die halb Mensch und halb Tier waren. Manchmal besaßen sie eine außergewöhnliche Körpergröße und schüchterten mit ihren Hundegesichtern nicht nur Reyna ein. Oft sah man auch zarte, elegante Gestalten mit Katzen- oder Vogelgesichtern vorbeihasten. Je nach Vorliebe ihres Erschaffers im fünften Turm.
Es gab zwar nun seit einigen Monaten die Vereinigung zur Rettung der Lakaien, die behauptete, es sei falsch, Rassen und Lebewesen zu kreuzen, ja sogar wider der Natur, aber kaum jemand nahm sie ernst. Niemand konnte sich ein Leben ohne die hilfreichen Kreaturen vorstellen.
Reyna wandte sich nach links und fügte sich in den Strom ein. Die Häuserfront, die gegenüber ihres Wohnhauses lag, war nur Verheirateten vorbehalten und sie sah durch die unteren, hell erleuchteten Fenster, wie Frauen und Kinder mit dem Einsammeln der Scherben begannen.
Die Straße mündete nach etwa einhundert Metern in eine der Hauptadern, die unweigerlich zum Turm führten und dort nahm der Verkehr zu. Unzählige Sänftenträger kämpften sich mit derben Worten durch die, für sie sehr ärgerlichen Hindernisse herum, versuchten trotzdem im Fluss zu bleiben und ihren Gast nicht allzu sehr durchzurütteln. Vereinzelte Reiter sahen es schließlich ein und stiegen von ihren Pferden oder den viel größeren Valdronen, die mit ihren grünen Zungen und gelben Zähnen schon mal nach der Menge schnappten. Doch trugen sie Maulkörbe, wie es vorgeschrieben war. Trotzdem zuckten die Leute vor den riesigen Biestern zurück, die meist schon mit ihrem Geruch abschreckten und dennoch die schnellsten Geschöpfe in Kherat–Nazin waren und noch darüber hinaus.
Reyna registrierte das alles nur am Rande. Viel mehr interessierte sie die Dämmerung und der Gedanke, dass sie heute eigentlich ihren freien Tag gehabt hätte. Schwalbe regte sich auf ihrem Arm, als er ihren schnelleren Herzschlag spürte und sie presste den Arm fester an ihren Körper, hielt dann auch noch schützend ihre Hand vor ihn. Es hätte keinen Sinn gemacht ihn fliegen zu lassen, er hätte sich nicht bewegt, denn sein Auftrag lautete, sie zu Zephyrim zu bringen. Das ging seiner Meinung nach aber offenbar nur so. Furchtbarer Vogel!
Endlich erschienen die gusseisernen Tore vor ihr, die zu der riesigen Parkanlage führten, welche den Übergang zum Turmgelände ankündigte. Die meisten Straßenlaternen waren aufrecht stehen geblieben, aber einige waren doch eingeknickt, was eine deutliche Erschütterung des Bodens verriet. Sie wurden zwar inzwischen von einigen Lakaien wieder aufgerichtet, doch Reyna runzelte trotzdem die Stirn. Irgendetwas war nicht richtig.
Schwalbe wurde ebenfalls unruhiger, als der Turm hinter den Bäumen auftauchte. Reyna machte sich nach nur einem Blick keine Gedanken mehr um die Knospe, die der Turm darstellte, er wirkte stets so unzerstörbar, ihm konnte nichts passieren. Das hohe Ende, die eigentliche Knospe, verlor sich im mittlerweile glutroten Himmel und so konnte sie nichts ausmachen, was dort oben vor sich ging. Zusätzlich hatte sich eine weiße Wolkenfront um den Turm zusammengerafft und zog die Aufmerksamkeit der Leute förmlich auf sich.
„Schon gut“, murmelte sie grübelnd zu dem schwarzen Raben. „Du musst nicht fliegen.“
Sie beeilte sich, die weißen Marmorstufen hinter sich zu lassen und den Park zu durchqueren. Überall waren Menschen, vereinzelt Elfen, Draaks, sogar Hyde und sie strebten ebenso dem Turm zu. Am Hauptportal drängten sie sich zusammen und Reyna huschte zu einem der Nebenportale, die nur den im Turm arbeitenden Bewohnern Espirals vorbehalten waren. Sie hielt den Raben so, dass er gleich gesehen wurde und sie sich nicht damit aufhalten musste, das Schriftstück vorzuzeigen, welches sie ohnehin nicht dabei hatte.
„Alles klar soweit in der Stadt?“, fragte ein schwarzhaariger Ritter des Wolfsordens.
„Ja, wird schon wieder“, antwortete Reyna lächelnd, daran denkend, dass die Ritter manchmal Frau und Kinder in der Stadt besaßen. Unehelich, da ihnen die Bindung an etwas oder jemanden außerhalb des Ordens verboten war.
Er nickte und Reyna blieb kurz stehen, wo er doch schon so redselig war.
„Wie steht’s mit dem Turm? Hat uns ja ganz schön durchgeschüttelt.“ Sie versuchte ein Grinsen, aber es wurde wohl doch mehr ein Zähneknirschen.
Sein Gesichtsausdruck wurde ernst und er senkte die Stimme, obwohl niemand weiter anwesend war. „Die Magier laufen herum wie verrückt gewordene Hühner. Irgendetwas muss sie ganz schön erschreckt haben.“ Als er Reynas bestürzten Gesichtsausdruck sah, fügte er hastig hinzu: „Aber sicher nur, weil Lori wieder mal Mist gebaut hat. Der Turm ist beständig, er steht seit tausend Jahren.“
Reyna nickte, obwohl ihr flau im Magen wurde. „Sicher.“ Sie lächelte den bärtigen Mann ein letztes Mal an und öffnete dann die Tür. Lori. Der arme alte Magier, der stets so zerstreut war, wurde gern von den anderen herangezogen, wenn wieder einmal ein Regenschauer über die Stadt hernieder ging, obwohl es Hochsommer war und einer der großen Festtage noch dazu.
Sie hielt sich nicht lange in dem kleinen Vorraum auf und trat auch durch keine der Durchgangstüren, sondern strebte gleich zu den Aufzügen. Sie berührte eine der violett leuchtenden Kugeln, die mit der Wand verbunden waren und wartete. Nach wenigen Augenblicken verkündete ein gedämpfter Rumps, dass der kleine Raum unten angekommen war. Die Tür schob sich zur Seite und ein Ritter trat mit zwei Vogellakaien heraus. Sie blickten recht wütend zurück und der Ritter blies die Enden seines Schnurrbartes entrüstet zur Seite.
Reyna machte ihnen bereitwillig Platz und betrat dann selbst den vier mal fünf Schritte großen Raum. Ihr wurde ganz elend, als sie den gelangweilten Magieschüler erkannte, der auch ausgerechnet heute seinen Dienst hier versehen musste. Glan Valdur war nicht etwa unfähig, er hatte nur einfach selten die Motivation etwas länger durchzuhalten und so versuchte er, seine Laune durch unhaltbare und meist gefährliche Aktionen aufzubessern. Entweder man fuhr dann so schnell nach oben, dass es einem die Füße vom Boden hob oder man landete in einem völlig anderen Teil des Turms, als eigentlich beabsichtigt. Was nicht selten zu Peinlichkeiten führte. Reyna hatte nie verstanden, warum man den Jungen nicht längst davongejagt hatte, aber es war natürlich nicht an ihr, einer einfachen Espiralerin, dies zu beurteilen.
Leise und so unauffällig wie möglich, murmelte sie den Namen Zephyrims und hoffte inständig, dass dieser dem Jungen nicht erst vor kurzem eine Strafe aufgebrummt hatte, was dessen Unmut hätte schüren können.
Schwalbe vergrub seinen Kopf in Reynas schulterlangem, braunen Haar, als die Tür zuglitt und sich der kleine Raum in die Höhe hob. Es war ein seltsames Gefühl und das nicht nur, weil sie wusste, dass der Aufzug praktisch im Nichts hing, ohne Halterung oder Sicherheitsnetz. Andererseits hatte sie auch noch nie davon gehört, dass es einmal einen Unfall mit einem der Aufzüge gegeben hatte. Trotzdem war sie jedes Mal froh, wenn sie endlich oben angekommen war. Nur fünf Atemzüge später und damit schneller als gewöhnlich, hielt der Aufzug und Glan Valdur grinste sie an.
„Bitte sehr, die Dame“, sagte er galant. Reyna runzelte die Stirn, denn veralbern konnte sie sich auch selbst. Aber sie wollte nicht unhöflich sein – nicht bei ihm – und antwortete nicht ganz ernst: „Danke, der Herr.“ Er verneigte sich und sie konnte sich dem Lachen seiner hellen Augen nun doch nicht mehr entziehen und kicherte beim Aussteigen. Nach zwei Schritten schlug sie sich die Hand vor den Mund und fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Doch hatte sie keine Zeit darüber nachzudenken, denn Schwalbe kniff sie mit dem Schnabel, so dass sie ihren Griff lockerte, was er ausnutzte, um sich in die Luft zu erheben. Einer seiner Flügel streifte ihr Gesicht und sie blinzelte verärgert.
„Du hast lange gebraucht!“, fuhr sie eine tiefe Männerstimme an. Eine schwarze Wolke waberte an ihr vorbei und ergoss sich schließlich in ein dickes, zylindrisches, hüfthohes Gefäß. Tentakel lösten sich und färbten sich grün sobald sie die kristallenen Wände berührten, aber sie strebten nicht hinaus.
„Igare Halin“, sagte die gleiche Stimme fast singend und die Wolke färbte sich durchsichtig, bevor sie verschwand.
„Also. Was hast du zu deiner Entschuldigung vorzubringen?“ Die violetten Augen des Magiers richteten sich auf sie. Zephyrim war der Nachkomme so ungefähr jeden Volkes, das es gab und auch wenn er in erster Linie menschlich wirkte, so war es ein Blick aus diesen Augen sicher nicht.
„Es herrscht Chaos. Ich bin nicht gut vorangekommen“, leierte sie herunter. Er hatte diese Worte schon einmal zu oft gehört und nur die Götter wussten, warum er sie jedes Mal als wahr akzeptierte. Er nickte auch diesmal, den Raben auf seinem Arm balancierend. Sein Gewand reichte bis zum Boden und war mit Silberfaden bestickt. Die Farbe schwankte je nach Lichteinfall von schwarz zu dunkelblau zu Purpur und manchmal war es erschreckend, wie sehr es seine Augen betonte.
„Ich habe einen Auftrag für dich, aber es eilt.“ Er drehte sich um und setzte den Vogel auf einem goldenen Gestell ab. Sie selbst durfte sich hier noch nicht einmal auf den wackeligen Holzstuhl setzen, der neben dem Aufzug stand.
Das Beben hatte in den Gemächern und Laboratorien Zephyrims nach einem ersten, spähenden Blick offenbar nicht so viel Unordnung verursacht, wie Reyna es zunächst angenommen hatte und doch mehr, als gewöhnlich. Das Aufräumen konnte aber unmöglich länger als bis zum Mittag dauern, was gut war, denn dann würde sie vielleicht doch noch etwas von diesem Tag haben. Mit zusammengepresstem Kiefer dachte sie daran, dass sie noch einen Tisch zu reparieren und Bücher zu ersetzen hatte. Sie lief ein paar Schritte zu einer abseits liegenden Tür und holte von dort Besen, Eimer und Lappen. Als sie sich umdrehte, stand Zephyrim hinter ihr und starrte sie wütend an.
„Was tust du da?“
Reyna runzelte die Stirn. Was glaubte er denn wonach es aussah?
„Leg das weg und komm!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich der Magier um. Er hatte die dunklen Haare zu vielen kleinen Zöpfen geflochten, die bei der Bewegung leise klackten, weil die Perlen darin aneinander gerieten. Neuerdings flocht er sich auch bunte Wollfäden in einige der Zöpfe, was ihm so langsam das Aussehen eines bunten Paradiesvogels verlieh. Aber das würde sie ihm nie sagen, denn er war, obwohl er es sicher nie zugeben würde, sehr eitel.
Der weite Raum, in den sie ihm vom Vorraum der Aufzüge aus folgte, war voller Gläser, Flakons, großen und kleinen Kesseln, Tieren in Käfigen und natürlich Büchern. Unzählige Papiere und Pergamentrollen lagen herum, aber Reyna wusste, dass Zephyrim das eben so wollte. Wehe sie fasste sie an!
„Du musst unbedingt eine Botschaft für mich überbringen“, sagte der Magier, immer noch den Rücken zu ihr gewandt.
Reyna rollte mit den Augen. Da war sie nun extra hierher gekommen und das an ihrem freien Tag und sollte schon gleich wieder gehen. Das Aufräumen würde sich dann sicher bis in den Nachmittag hineinziehen. Warum konnte keiner der Lakaien seine dämlichen Botschaften überbringen, wie die der anderen Magier auch?
Zephyrim wühlte in den Büchern und Schriftrollen auf einem schwarzlackierten Stuhl, die meisten fielen hinunter, aber er nahm kaum Notiz davon. Als er offenbar nicht gefunden hatte, was er suchte, ging er hinüber zu einem der Tische und setzte seine Suche dort fort. Die Tiere in den Käfigen – Echsen, Ratten, Raben und diverse Mischungen daraus – schrieen und grunzten aufgeregt, als übertrage sich die Stimmung ihres Meisters auf sie.
„Ehrenwerter, wohin soll ich gehen?“ Reyna hoffte nur, es war nicht allzu weit entfernt. In der Stadtmitte vielleicht und bitte nicht am anderen Ende Espirals, sie hatte wirklich keine Lust so weit zu laufen.
„Du musst zum dritten Turm“, murmelte Zephyrim zerstreut. So wie heute, hatte sie ihn wirklich noch nie erlebt. Er schwankte von einer Emotion zur nächsten, dabei war er so wankelmütig nun auch wieder nicht.
Reyna lachte leise, weil sie dachte, er hätte einen Scherz gemacht. Schnell wurde ihr nach einem Blick in seine Augen klar, dass es nicht so war. „Was?! Das kann ich nicht!“ Da würde sie ja Wochen unterwegs sein, durch unwegsames Gebiet obendrein und mitten hinein in den Osten. Nein, es ging wirklich nicht. Was dachte sich dieser Mann nur?
Zephyrim war näher getreten und seine Augen blitzten förmlich, als er sie in seinen Bann zog. Er hatte das schon früher getan und auch wenn sie wusste, dass man auf sie aus irgendeinem Grund keine mentalen Gedanken übertragen konnte, jagte es ihr doch immer aufs Neue Angst ein.
„Du bist die Einzige, die ich schicken kann. Ich werde dir Schwalbe mitgeben, er wird dich schon von Dummheiten abhalten, aber gehen musst du!“ Seine Stimme klang wirklich eindringlich.
Reyna schüttelte nur den Kopf und runzelte im Abwenden ihrer Augen die Stirn. „Aber ...“, begann sie.
Zephyrim war mit einem Schritt bei ihr und fasste sie an den Schultern.
„Du verstehst das nicht und ich kann es dir auch nicht erklären. Aber es ist wichtig! Sie müssen gewarnt werden, denn das, was wir so sehr gefürchtet haben, ist eingetreten.“ Er ließ sie mit einem Seufzer los und drehte sich um. „Es dir einfach zu befehlen hätte keinen Sinn, ich weiß.“ Er lachte kurz auf. „Du tust nie so ganz das, was man dir sagt.“
Reyna wusste nicht, ob sie wegen dieser Aussage rot werden sollte oder nicht, aber schließlich stimmte es und sie fühlte sich deswegen nicht schuldig. Darum sah sie ihn an und wartete darauf, dass er sich wieder umdrehte.
„Hat es etwas mit dem Beben von heute zu tun? Damit, dass es nicht angekündigt war?“ Mit einem Ruck wandte er sich um, blickte ihr in die Augen und sie wusste, sie hatte ins Schwarze getroffen.
„Aber warum verwendet Ihr nicht die magischen Spiegel, um mit den anderen Magiern im dritten Turm zu sprechen?“
Zephyrim seufzte. „Das geht nicht, es ist zu gefährlich. Irgendetwas stört ihren Empfang. Keine Botschaft kommt dort an, wo sie sollte, manche werden auch gar nicht erst übertragen. Bitte, Mädchen, es ist wichtig!“
Reyna schluckte und nickte dann. Sie hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl gehabt und nun hatte es sich offenbar bestätigt.
„Also gut, ich gehe. Aber Ihr müsst dafür sorgen, dass Noe davon erfährt. Sie würde mich sonst überall suchen.“
Der Magier schien ihr gar nicht richtig zugehört zu haben und suchte schon wieder zwischen seinen Schriften nach etwas. Irgendwie hatte er wohl ihr Einverständnis vorausgesetzt und sie runzelte wütend die Stirn, bis ihr einfiel, wie Noe sie damals gewarnt hatte. Wer sich mit den Magiern einließ, musste mit Problemen rechnen. Sie hätte auf ihre Freundin hören und sich nicht vom Verdienst blenden lassen sollen.
Zephyrim gab ein freudiges Geräusch von sich, als er fand, wonach er bisher erfolglos gesucht hatte. Er hielt ein Lederband in seinen Händen, an dem ein runder, flacher, grauer Stein befestigt und in dessen Mitte ein Rubin eingelassen war. Das Rot glänzte im Licht der magischen Flammen, die hier alles erhellten und Reyna erkannte in dem grauen Stein seltsame Symbole.
„Das ist es“, flüsterte Zephyrim. „Das ist das Siegel.“ Er sah Reyna mit seinen violetten Augen an, als falle ihm gerade erst ein, dass sie auch da war. „Das musst du unbeschadet zum dritten Turm bringen.“
Reyna beugte den Kopf, als der Magier ihr das Band um den Hals legte. Der handtellergroße Stein war gar nicht so schwer, wie sie anfangs gedacht hatte, vielmehr spürte sie sein Gewicht kaum.
„Aber was soll ich ihnen sagen?“, fragte sie ihren Arbeitgeber, als der keine Anstalten machte, ihr noch etwas, zum Beispiel einen Brief, mitzugeben.
„Du brauchst ihnen nichts zu sagen, sie werden das Siegel erkennen, wenn sie es sehen und wissen, was zu tun ist.“
Reyna sah ihn zweifelnd an und hoffte, es stimmte, denn sie würde nicht gern eine so weite Reise völlig umsonst machen.
„Gut, dann komm.“ Der Magier winkte sie hinter sich her und sie begriff, dass er ihr wirklich keine Zeit lassen würde, sondern erwartete, dass sie sofort und ohne Verzögerung aufbrach. Der Rabe flog hinter ihnen her und ließ sich auf der Schulter Zephyrims nieder.
Reyna hoffte, dass sie ein Pferd nehmen durfte und keinen Valdronen. Diese rochen immer etwas streng und besaßen überhaupt ein sehr launisches Wesen.
Sie gingen hinaus in den kleinen Vorraum und kaum, dass sie diesen betreten hatten, schob sich auch schon die Tür zu den Aufzügen zur Seite. Glan Valdur saß mit unbeweglicher Miene und steifen Gliedern da und schaute ihnen entgegen. Bei Reynas Anblick schienen seine Augen weicher, aber es konnte auch sein, dass sie sich das nur einbildete.
„Ich übernehme“, sagte Zephyrim zu Glan und dieser hielt sich artig abseits.
Diesmal war nicht viel zu spüren, als sich der Aufzug in Bewegung setzte. Als sich die Tür allerdings wieder öffnend zur Seite schoben, klappte Reynas Mund nach unten. Sie waren nicht hinunter zu den Ställen gefahren. Sie befanden sich mitten in der Knospe, ganz oben im Turm.
Eine große, ebene Fläche ganz in Weiß breitete sich vor ihnen aus. Begrenzt wurde sie in der Ferne von einem hüfthohen verzierten Geländer, das aber nur ein sichtbares Hindernis zwischen der Plattform und dem Nichts aus Luft sein sollte. Es waren ebenso magische Barrieren errichtet worden, damit niemand hinunterfiel.
Zephyrim ging voraus und winkte Glan aus einem, Reyna völlig unverständlichen Grund, ihnen zu folgen.
Die Plattform war nicht leer. Überall eilten Magier geschäftig umher. Männer und Frauen in bodenlangen Gewändern, in allen möglichen und unmöglichen Farben, die man sich vorstellen konnte, liefen zwischen den zahlreichen Aufzügen und der Ebene hin und her. Magieschüler bewegten sich zwischen ihnen und auch Lakaien.
Reyna schaute sich mit großen Augen um. Hier oben war sie noch nie gewesen und beinahe hätte sie den Anschluss an ihren Arbeitgeber verloren, hätte Glan sie nicht am Arm gepackt hinter sich hergezogen.
Die Luft war dünn und kalt, vor den Barrieren bewegte sie sich milchig weiß hin und her. Schatten zogen durch sie hindurch und Reyna wurde klar, dass sie gleich einem Drachen so nahe kommen würde, wie niemals zuvor.
Zephyrim bewegte sich selbstsicher durch die Masse an Magiern, die jedem Volk, das es gab, angehörten. Sie machten ihm ganz bereitwillig Platz, manchmal voller Respekt und manchmal, das erstaunte Reyna, mit Angst in ihren Augen.
Glan hielt sie noch immer am Arm, doch sie machte sich mit brennenden Wangen von ihm los und redete sich ein, es werfe ein schlechtes Licht auf sie.
Zephyrim blieb dicht vor dem verzierten Geländer stehen und hob beide Arme. Sofort waren etliche Schüler herangetreten und im Halbkreis um sie herum stehen geblieben.
Die Barriere zitterte merklich auf und gab dann plötzlich eine Öffnung frei. Nebel wallte herein, aber ein rothaariger Schüler, fast schon ein erwachsener Mann, trat ungerührt durch die Öffnung hindurch und sprang. Reynas Mund entwich ein Schreckenslaut, der ihr die Aufmerksamkeit aller anderen einbrachte. Sie lachten sie aus. Alle, außer Glan, der böse in die Menge schaute, bis sich die Blicke abgewendet hatten.
Ein Schatten flog dicht an der Öffnung vorbei und Reyna erkannte schwarze, lederne Flügel. Sie huschten so schnell vorbei, dass der Nebel heftig aufwallte und nichts richtig zu erkennen war.
Ein Schüler nach dem anderen trat zu der Öffnung und sprang hinab, dann folgte ein Schatten, wieder ein Schüler und wieder ein Schatten. Solange, bis niemand außer Reyna, Glan und Zephyrim übrig geblieben war.
Der Magier winkte sie heran.
„Du weißt, was du zu tun hast“, sagte er und blickte ihr tief in die Augen. Als sie die Aufgabe wiederholen wollte, winkte er rasch ab und sie fragte sich, ob er vielleicht argwöhnisch gegenüber dem Schüler war.
Die violetten Augen wandten sich von ihr ab und richteten sich auf Glan. „Du wirst sie sicher zum dritten Turm bringen und dafür sorgen, dass man sie vorlässt.“
Glan nickte ernsthaft, obwohl er nicht so wirkte, als habe er mit dieser Aufgabe gerechnet.
„Aber ...“, begann Reyna heftig, zu überrascht, um mehr zu sagen. Das war nicht abgemacht! Sie brauchte keinen Aufpasser!
Zephyrim unterbrach sie. „Er weiß, wie man mit dem Drachen umgeht. Er wird ihn in Schach halten und dafür sorgen, dass er euch sicher an euer Ziel bringt.“
Sie schluckte, weil sie ihm glaubte, dass dies nötig werden könnte. Drachen konnten sehr wohl gefährlich werden und Reyna hatte keine Ausbildung erhalten wie Glan.
In diesem Augenblick fasste sie den Entschluss, bei ihrer Rückkehr sofort zu kündigen. Diese Magier waren einfach nichts für sie und es zahlten auch andere Berufe anständige Verdienste.
Schwalbe gab einen seiner krächzenden Laute von sich und warnte sie damit vor, dass er sich auf ihrer Schulter niederlassen würde. Das gefiel ihr gar nicht, sie hätte ihn lieber auf dem Arm gehabt, aber den nahm schon wieder Glan und trat mit ihr zu der Barrierenöffnung.
Kühle Luft strömte Reyna entgegen, ihr Haar flatterte im Wind und sie wagte es nicht, nach unten zu sehen.
„Viel Glück“, murmelte Zephyrim hinter ihr, doch ehe sie sich noch einmal umdrehen konnte, war Glan auch schon gesprungen und hatte sie mit sich gezogen. Weiß umhüllte Reyna und sie hatte das Gefühl zu schweben.
Dann fiel sie.


Samstag, 16. Januar 2010

Kapitel 1 (8)


Eine große, ebene Fläche ganz in Weiß breitete sich vor ihnen aus. Begrenzt wurde sie in der Ferne von einem hüfthohen verzierten Geländer, das aber nur ein sichtbares Hindernis zwischen der Plattform und dem Nichts aus Luft sein sollte. Es waren ebenso magische Barrieren errichtet worden, damit niemand hinunterfiel.
Zephyrim ging voraus und winkte Glan aus einem, Reyna völlig unverständlichen Grund, ihnen zu folgen.
Die Plattform war nicht leer. Überall eilten Magier geschäftig umher. Männer und Frauen in bodenlangen Gewändern, in allen möglichen und unmöglichen Farben, die man sich vorstellen konnte, liefen zwischen den zahlreichen Aufzügen und der Ebene hin und her. Magieschüler bewegten sich zwischen ihnen und auch Lakaien.
Reyna schaute sich mit großen Augen um. Hier oben war sie noch nie gewesen und beinahe hätte sie den Anschluss an ihren Arbeitgeber verloren, hätte Glan sie nicht am Arm gepackt hinter sich hergezogen.
Die Luft war dünn und kalt, vor den Barrieren bewegte sie sich milchig weiß hin und her. Schatten zogen durch sie hindurch und Reyna wurde klar, dass sie gleich einem Drachen so nahe kommen würde, wie niemals zuvor.
Zephyrim bewegte sich selbstsicher durch die Masse an Magiern, die jedem Volk, das es gab, angehörten. Sie machten ihm ganz bereitwillig Platz, manchmal voller Respekt und manchmal, das erstaunte Reyna, mit Angst in ihren Augen.
Glan hielt sie noch immer am Arm, doch sie machte sich mit brennenden Wangen von ihm los und redete sich ein, es werfe ein schlechtes Licht auf sie.
Zephyrim blieb dicht vor dem verzierten Geländer stehen und hob beide Arme. Sofort waren etliche Schüler herangetreten und im Halbkreis um sie herum stehen geblieben.
Die Barriere zitterte merklich auf und gab dann plötzlich eine Öffnung frei. Nebel wallte herein, aber ein rothaariger Schüler, fast schon ein erwachsener Mann, trat ungerührt durch die Öffnung hindurch und sprang. Reynas Mund entwich ein Schreckenslaut, der ihr die Aufmerksamkeit aller anderen einbrachte. Sie lachten sie aus. Alle, außer Glan, der böse in die Menge schaute, bis sich die Blicke abgewendet hatten.
Ein Schatten flog dicht an der Öffnung vorbei und Reyna erkannte schwarze, lederne Flügel. Sie huschten so schnell vorbei, dass der Nebel heftig aufwallte und nichts richtig zu erkennen war.
Ein Schüler nach dem anderen trat zu der Öffnung und sprang hinab, dann folgte ein Schatten, wieder ein Schüler und wieder ein Schatten. Solange, bis niemand außer Reyna, Glan und Zephyrim übrig geblieben war.
Der Magier winkte sie heran.
„Du weißt, was du zu tun hast“, sagte er und blickte ihr tief in die Augen. Als sie die Aufgabe wiederholen wollte, winkte er rasch ab und sie fragte sich, ob er vielleicht argwöhnisch gegenüber dem Schüler war.
Die violetten Augen wandten sich von ihr ab und richteten sich auf Glan. „Du wirst sie sicher zum dritten Turm bringen und dafür sorgen, dass man sie vorlässt.“
Glan nickte ernsthaft, obwohl er nicht so wirkte, als habe er mit dieser Aufgabe gerechnet.
„Aber ...“, begann Reyna heftig, zu überrascht, um mehr zu sagen. Das war nicht abgemacht! Sie brauchte keinen Aufpasser!
Zephyrim unterbrach sie. „Er weiß, wie man mit dem Drachen umgeht. Er wird ihn in Schach halten und dafür sorgen, dass er euch sicher an euer Ziel bringt.“
Sie schluckte, weil sie ihm glaubte, dass dies nötig werden könnte. Drachen konnten sehr wohl gefährlich werden und Reyna hatte keine Ausbildung erhalten wie Glan.
In diesem Augenblick fasste sie den Entschluss, bei ihrer Rückkehr sofort zu kündigen. Diese Magier waren einfach nichts für sie und es zahlten auch andere Berufe anständige Verdienste.
Schwalbe gab einen seiner krächzenden Laute von sich und warnte sie damit vor, dass er sich auf ihrer Schulter niederlassen würde. Das gefiel ihr gar nicht, sie hätte ihn lieber auf dem Arm gehabt, aber den nahm schon wieder Glan und trat mit ihr zu der Barrierenöffnung.
Kühle Luft strömte Reyna entgegen, ihr Haar flatterte im Wind und sie wagte es nicht, nach unten zu sehen.
„Viel Glück“, murmelte Zephyrim hinter ihr, doch ehe sie sich noch einmal umdrehen konnte, war Glan auch schon gesprungen und hatte sie mit sich gezogen. Weiß umhüllte Reyna und sie hatte das Gefühl zu schweben.
Dann fiel sie.


Freitag, 15. Januar 2010

Kapitel 1 (7)


Der Magier schien ihr gar nicht richtig zugehört zu haben und suchte schon wieder zwischen seinen Schriften nach etwas. Irgendwie hatte er wohl ihr Einverständnis vorausgesetzt und sie runzelte wütend die Stirn, bis ihr einfiel, wie Noe sie damals gewarnt hatte. Wer sich mit den Magiern einließ, musste mit Problemen rechnen. Sie hätte auf ihre Freundin hören und sich nicht vom Verdienst blenden lassen sollen.
Zephyrim gab ein freudiges Geräusch von sich, als er fand, wonach er bisher erfolglos gesucht hatte. Er hielt ein Lederband in seinen Händen, an dem ein runder, flacher, grauer Stein befestigt und in dessen Mitte ein Rubin eingelassen war. Das Rot glänzte im Licht der magischen Flammen, die hier alles erhellten und Reyna erkannte in dem grauen Stein seltsame Symbole.
„Das ist es“, flüsterte Zephyrim. „Das ist das Siegel.“ Er sah Reyna mit seinen violetten Augen an, als falle ihm gerade erst ein, dass sie auch da war. „Das musst du unbeschadet zum dritten Turm bringen.“
Reyna beugte den Kopf, als der Magier ihr das Band um den Hals legte. Der handtellergroße Stein war gar nicht so schwer, wie sie anfangs gedacht hatte, vielmehr spürte sie sein Gewicht kaum.
„Aber was soll ich ihnen sagen?“, fragte sie ihren Arbeitgeber, als der keine Anstalten machte, ihr noch etwas, zum Beispiel einen Brief, mitzugeben.
„Du brauchst ihnen nichts zu sagen, sie werden das Siegel erkennen, wenn sie es sehen und wissen, was zu tun ist.“
Reyna sah ihn zweifelnd an und hoffte, es stimmte, denn sie würde nicht gern eine so weite Reise völlig umsonst machen.
„Gut, dann komm.“ Der Magier winkte sie hinter sich her und sie begriff, dass er ihr wirklich keine Zeit lassen würde, sondern erwartete, dass sie sofort und ohne Verzögerung aufbrach. Der Rabe flog hinter ihnen her und ließ sich auf der Schulter Zephyrims nieder.
Reyna hoffte, dass sie ein Pferd nehmen durfte und keinen Valdronen. Diese rochen immer etwas streng und besaßen überhaupt ein sehr launisches Wesen.
Sie gingen hinaus in den kleinen Vorraum und kaum, dass sie diesen betreten hatten, schob sich auch schon die Tür zu den Aufzügen zur Seite. Glan Valdur saß mit unbeweglicher Miene und steifen Gliedern da und schaute ihnen entgegen. Bei Reynas Anblick schienen seine Augen weicher, aber es konnte auch sein, dass sie sich das nur einbildete.
„Ich übernehme“, sagte Zephyrim zu Glan und dieser hielt sich artig abseits.
Diesmal war nicht viel zu spüren, als sich der Aufzug in Bewegung setzte. Als sich die Tür allerdings wieder öffnend zur Seite schoben, klappte Reynas Mund nach unten. Sie waren nicht hinunter zu den Ställen gefahren. Sie befanden sich mitten in der Knospe, ganz oben im Turm.


Donnerstag, 14. Januar 2010

Kapitel 1 (6)


„Du musst unbedingt eine Botschaft für mich überbringen“, sagte der Magier, immer noch den Rücken zu ihr gewandt.
Reyna rollte mit den Augen. Da war sie nun extra hierher gekommen und das an ihrem freien Tag und sollte schon gleich wieder gehen. Das Aufräumen würde sich dann sicher bis in den Nachmittag hineinziehen. Warum konnte keiner der Lakaien seine dämlichen Botschaften überbringen, wie die der anderen Magier auch?
Zephyrim wühlte in den Büchern und Schriftrollen auf einem schwarzlackierten Stuhl, die meisten fielen hinunter, aber er nahm kaum Notiz davon. Als er offenbar nicht gefunden hatte, was er suchte, ging er hinüber zu einem der Tische und setzte seine Suche dort fort. Die Tiere in den Käfigen – Echsen, Ratten, Raben und diverse Mischungen daraus – schrieen und grunzten aufgeregt, als übertrage sich die Stimmung ihres Meisters auf sie.
„Ehrenwerter, wohin soll ich gehen?“ Reyna hoffte nur, es war nicht allzu weit entfernt. In der Stadtmitte vielleicht und bitte nicht am anderen Ende Espirals, sie hatte wirklich keine Lust so weit zu laufen.
„Du musst zum dritten Turm“, murmelte Zephyrim zerstreut. So wie heute, hatte sie ihn wirklich noch nie erlebt. Er schwankte von einer Emotion zur nächsten, dabei war er so wankelmütig nun auch wieder nicht.
Reyna lachte leise, weil sie dachte, er hätte einen Scherz gemacht. Schnell wurde ihr nach einem Blick in seine Augen klar, dass es nicht so war. „Was?! Das kann ich nicht!“ Da würde sie ja Wochen unterwegs sein, durch unwegsames Gebiet obendrein und mitten hinein in den Osten. Nein, es ging wirklich nicht. Was dachte sich dieser Mann nur?
Zephyrim war näher getreten und seine Augen blitzten förmlich, als er sie in seinen Bann zog. Er hatte das schon früher getan und auch wenn sie wusste, dass man auf sie aus irgendeinem Grund keine mentalen Gedanken übertragen konnte, jagte es ihr doch immer aufs Neue Angst ein.
„Du bist die Einzige, die ich schicken kann. Ich werde dir Schwalbe mitgeben, er wird dich schon von Dummheiten abhalten, aber gehen musst du!“ Seine Stimme klang wirklich eindringlich.
Reyna schüttelte nur den Kopf und runzelte im Abwenden ihrer Augen die Stirn. „Aber ...“, begann sie.
Zephyrim war mit einem Schritt bei ihr und fasste sie an den Schultern.
„Du verstehst das nicht und ich kann es dir auch nicht erklären. Aber es ist wichtig! Sie müssen gewarnt werden, denn das, was wir so sehr gefürchtet haben, ist eingetreten.“ Er ließ sie mit einem Seufzer los und drehte sich um. „Es dir einfach zu befehlen hätte keinen Sinn, ich weiß.“ Er lachte kurz auf. „Du tust nie so ganz das, was man dir sagt.“
Reyna wusste nicht, ob sie wegen dieser Aussage rot werden sollte oder nicht, aber schließlich stimmte es und sie fühlte sich deswegen nicht schuldig. Darum sah sie ihn an und wartete darauf, dass er sich wieder umdrehte.
„Hat es etwas mit dem Beben von heute zu tun? Damit, dass es nicht angekündigt war?“ Mit einem Ruck wandte er sich um, blickte ihr in die Augen und sie wusste, sie hatte ins Schwarze getroffen.
„Aber warum verwendet Ihr nicht die magischen Spiegel, um mit den anderen Magiern im dritten Turm zu sprechen?“
Zephyrim seufzte. „Das geht nicht, es ist zu gefährlich. Irgendetwas stört ihren Empfang. Keine Botschaft kommt dort an, wo sie sollte, manche werden auch gar nicht erst übertragen. Bitte, Mädchen, es ist wichtig!“
Reyna schluckte und nickte dann. Sie hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl gehabt und nun hatte es sich offenbar bestätigt.
„Also gut, ich gehe. Aber Ihr müsst dafür sorgen, dass Noe davon erfährt. Sie würde mich sonst überall suchen.“


Mittwoch, 13. Januar 2010

Kapitel 1 (5)


„Du hast lange gebraucht!“, fuhr sie eine tiefe Männerstimme an. Eine schwarze Wolke waberte an ihr vorbei und ergoss sich schließlich in ein dickes, zylindrisches, hüfthohes Gefäß. Tentakel lösten sich und färbten sich grün sobald sie die kristallenen Wände berührten, aber sie strebten nicht hinaus.
„Igare Halin“, sagte die gleiche Stimme fast singend und die Wolke färbte sich durchsichtig, bevor sie verschwand.
„Also. Was hast du zu deiner Entschuldigung vorzubringen?“ Die violetten Augen des Magiers richteten sich auf sie. Zephyrim war der Nachkomme so ungefähr jeden Volkes, das es gab und auch wenn er in erster Linie menschlich wirkte, so war es ein Blick aus diesen Augen sicher nicht.
„Es herrscht Chaos. Ich bin nicht gut vorangekommen“, leierte sie herunter. Er hatte diese Worte schon einmal zu oft gehört und nur die Götter wussten, warum er sie jedes Mal als wahr akzeptierte. Er nickte auch diesmal, den Raben auf seinem Arm balancierend. Sein Gewand reichte bis zum Boden und war mit Silberfaden bestickt. Die Farbe schwankte je nach Lichteinfall von schwarz zu dunkelblau zu Purpur und manchmal war es erschreckend, wie sehr es seine Augen betonte.
„Ich habe einen Auftrag für dich, aber es eilt.“ Er drehte sich um und setzte den Vogel auf einem goldenen Gestell ab. Sie selbst durfte sich hier noch nicht einmal auf den wackeligen Holzstuhl setzen, der neben dem Aufzug stand.
Das Beben hatte in den Gemächern und Laboratorien Zephyrims nach einem ersten, spähenden Blick offenbar nicht so viel Unordnung verursacht, wie Reyna es zunächst angenommen hatte und doch mehr, als gewöhnlich. Das Aufräumen konnte aber unmöglich länger als bis zum Mittag dauern, was gut war, denn dann würde sie vielleicht doch noch etwas von diesem Tag haben. Mit zusammengepresstem Kiefer dachte sie daran, dass sie noch einen Tisch zu reparieren und Bücher zu ersetzen hatte. Sie lief ein paar Schritte zu einer abseits liegenden Tür und holte von dort Besen, Eimer und Lappen. Als sie sich umdrehte, stand Zephyrim hinter ihr und starrte sie wütend an.
„Was tust du da?“
Reyna runzelte die Stirn. Was glaubte er denn wonach es aussah?
„Leg das weg und komm!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich der Magier um. Er hatte die dunklen Haare zu vielen kleinen Zöpfen geflochten, die bei der Bewegung leise klackten, weil die Perlen darin aneinander gerieten. Neuerdings flocht er sich auch bunte Wollfäden in einige der Zöpfe, was ihm so langsam das Aussehen eines bunten Paradiesvogels verlieh. Aber das würde sie ihm nie sagen, denn er war, obwohl er es sicher nie zugeben würde, sehr eitel.
Der weite Raum, in den sie ihm vom Vorraum der Aufzüge aus folgte, war voller Gläser, Flakons, großen und kleinen Kesseln, Tieren in Käfigen und natürlich Büchern. Unzählige Papiere und Pergamentrollen lagen herum, aber Reyna wusste, dass Zephyrim das eben so wollte. Wehe sie fasste sie an!


Dienstag, 12. Januar 2010

Kapitel 1 (4)


Sie hielt sich nicht lange in dem kleinen Vorraum auf und trat auch durch keine der Durchgangstüren, sondern strebte gleich zu den Aufzügen. Sie berührte eine der violett leuchtenden Kugeln, die mit der Wand verbunden waren und wartete. Nach wenigen Augenblicken verkündete ein gedämpfter Rumps, dass der kleine Raum unten angekommen war. Die Tür schob sich zur Seite und ein Ritter trat mit zwei Vogellakaien heraus. Sie blickten recht wütend zurück und der Ritter blies die Enden seines Schnurrbartes entrüstet zur Seite.
Reyna machte ihnen bereitwillig Platz und betrat dann selbst den vier mal fünf Schritte großen Raum. Ihr wurde ganz elend, als sie den gelangweilten Magieschüler erkannte, der auch ausgerechnet heute seinen Dienst hier versehen musste. Glan Valdur war nicht etwa unfähig, er hatte nur einfach selten die Motivation etwas länger durchzuhalten und so versuchte er, seine Laune durch unhaltbare und meist gefährliche Aktionen aufzubessern. Entweder man fuhr dann so schnell nach oben, dass es einem die Füße vom Boden hob oder man landete in einem völlig anderen Teil des Turms, als eigentlich beabsichtigt. Was nicht selten zu Peinlichkeiten führte. Reyna hatte nie verstanden, warum man den Jungen nicht längst davongejagt hatte, aber es war natürlich nicht an ihr, einer einfachen Espiralerin, dies zu beurteilen.
Leise und so unauffällig wie möglich, murmelte sie den Namen Zephyrims und hoffte inständig, dass dieser dem Jungen nicht erst vor kurzem eine Strafe aufgebrummt hatte, was dessen Unmut hätte schüren können.
Schwalbe vergrub seinen Kopf in Reynas schulterlangem, braunen Haar, als die Tür zuglitt und sich der kleine Raum in die Höhe hob. Es war ein seltsames Gefühl und das nicht nur, weil sie wusste, dass der Aufzug praktisch im Nichts hing, ohne Halterung oder Sicherheitsnetz. Andererseits hatte sie auch noch nie davon gehört, dass es einmal einen Unfall mit einem der Aufzüge gegeben hatte. Trotzdem war sie jedes Mal froh, wenn sie endlich oben angekommen war. Nur fünf Atemzüge später und damit schneller als gewöhnlich, hielt der Aufzug und Glan Valdur grinste sie an.
„Bitte sehr, die Dame“, sagte er galant. Reyna runzelte die Stirn, denn veralbern konnte sie sich auch selbst. Aber sie wollte nicht unhöflich sein – nicht bei ihm – und antwortete nicht ganz ernst: „Danke, der Herr.“ Er verneigte sich und sie konnte sich dem Lachen seiner hellen Augen nun doch nicht mehr entziehen und kicherte beim Aussteigen. Nach zwei Schritten schlug sie sich die Hand vor den Mund und fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Doch hatte sie keine Zeit darüber nachzudenken, denn Schwalbe kniff sie mit dem Schnabel, so dass sie ihren Griff lockerte, was er ausnutzte, um sich in die Luft zu erheben. Einer seiner Flügel streifte ihr Gesicht und sie blinzelte verärgert.


Montag, 11. Januar 2010

Kapitel 1 (3)


Die Straße mündete nach etwa einhundert Metern in eine der Hauptadern, die unweigerlich zum Turm führten und dort nahm der Verkehr zu. Unzählige Sänftenträger kämpften sich mit derben Worten durch die, für sie sehr ärgerlichen Hindernisse herum, versuchten trotzdem im Fluss zu bleiben und ihren Gast nicht allzu sehr durchzurütteln. Vereinzelte Reiter sahen es schließlich ein und stiegen von ihren Pferden oder den viel größeren Valdronen, die mit ihren grünen Zungen und gelben Zähnen schon mal nach der Menge schnappten. Doch trugen sie Maulkörbe, wie es vorgeschrieben war. Trotzdem zuckten die Leute vor den riesigen Biestern zurück, die meist schon mit ihrem Geruch abschreckten und dennoch die schnellsten Geschöpfe in Kherat–Nazin waren und noch darüber hinaus.
Reyna registrierte das alles nur am Rande. Viel mehr interessierte sie die Dämmerung und der Gedanke, dass sie heute eigentlich ihren freien Tag gehabt hätte. Schwalbe regte sich, als er ihren schnelleren Herzschlag spürte und sie presste den Arm fester an ihren Körper, hielt dann auch noch schützend ihre Hand vor ihn. Es hätte keinen Sinn gemacht ihn fliegen zu lassen, er hätte sich nicht bewegt, denn sein Auftrag lautete, sie zu Zephyrim zu bringen. Das ging seiner Meinung nach aber offenbar nur so. Furchtbarer Vogel!
Endlich erschienen die gusseisernen Tore vor ihr, die zu der riesigen Parkanlage führten, welche den Übergang zum Turmgelände ankündigte. Die meisten Straßenlaternen waren aufrecht stehen geblieben, aber einige waren doch eingeknickt, was eine deutliche Erschütterung des Bodens verriet. Sie wurden zwar inzwischen von einigen Lakaien wieder aufgerichtet, doch Reyna runzelte trotzdem die Stirn. Irgendetwas war nicht richtig.
Schwalbe wurde ebenfalls unruhiger, als der Turm hinter den Bäumen auftauchte. Reyna machte sich nach nur einem Blick keine Gedanken mehr um die Knospe, die der Turm darstellte, er wirkte stets so unzerstörbar, ihm konnte nichts passieren. Das hohe Ende, die eigentliche Knospe, verlor sich im mittlerweile glutroten Himmel und so konnte sie nichts ausmachen, was dort oben vor sich ging. Zusätzlich hatte sich eine weiße Wolkenfront um den Turm zusammengerafft und zog die Aufmerksamkeit der Leute förmlich auf sich.
„Schon gut“, murmelte sie grübelnd zu dem schwarzen Raben. „Du musst nicht fliegen.“
Sie beeilte sich, die weißen Marmorstufen hinter sich zu lassen und den Park zu durchqueren. Überall waren Menschen, vereinzelt Elfen, Draaks, sogar Hyde und sie strebten ebenso dem Turm zu. Am Hauptportal drängten sie sich zusammen und Reyna huschte zu einem der Nebenportale, die nur den im Turm arbeitenden Bewohnern Espirals vorbehalten waren. Sie hielt den Raben so, dass er gleich gesehen wurde und sie sich nicht damit aufhalten musste, das Schriftstück vorzuzeigen, welches sie ohnehin nicht dabei hatte.
„Alles klar soweit in der Stadt?“, fragte ein schwarzhaariger Ritter des Wolfsordens.
„Ja, wird schon wieder“, antwortete Reyna lächelnd, daran denkend, dass die Ritter manchmal Frau und Kinder in der Stadt besaßen. Unehelich, da ihnen die Bindung an etwas oder jemanden außerhalb des Ordens verboten war.
Er nickte und Reyna blieb kurz stehen, wo er doch schon so redselig war.
„Wie steht’s mit dem Turm? Hat uns ja ganz schön durchgeschüttelt.“ Sie versuchte ein Grinsen, aber es wurde wohl doch mehr ein Zähneknirschen.
Sein Gesichtsausdruck wurde ernst und er senkte die Stimme, obwohl niemand weiter anwesend war. „Die Magier laufen herum wie verrückt gewordene Hühner. Irgendetwas muss sie ganz schön erschreckt haben.“ Als er Reynas bestürzten Gesichtsausdruck sah, fügte er hastig hinzu: „Aber sicher nur, weil Lori wieder mal Mist gebaut hat. Der Turm ist beständig, er steht seit tausend Jahren.“
Reyna nickte, obwohl ihr flau im Magen wurde. „Sicher.“ Sie lächelte den bärtigen Mann ein letztes Mal an und öffnete dann die Tür. Lori. Der arme alte Magier, der stets so zerstreut war, wurde gern von den anderen herangezogen, wenn wieder einmal ein Regenschauer über die Stadt hernieder ging, obwohl es Hochsommer war und einer der großen Festtage noch dazu.


Sonntag, 10. Januar 2010

Kapitel 1 (2)


Der Rabe schwebte mit ausgebreiteten Flügeln auf den gefährlich schräg stehenden Tisch und ließ sich auf der oben stehenden Kante nieder. Reyna wusste nie wieso, aber in diesen Momenten hatte sie immer das Gefühl, er mache sich über sie lustig.
Heftig ausatmend wandte sie sich ab und streifte sich das Nachthemd über den Kopf. Das Wasser auf dem Beistellschrank war noch genau dort, wo es sein sollte und Reyna war wieder einmal froh über Noes Voraussicht. Ihre Zimmergenossin war zwar nur zwei winzige Jahre älter, aber verhielt sich stets so, als seien es zwanzig.
Hinter ihr erklang ein lauter Rumps, als der Tisch unter Schwalbes Gewicht doch noch nachgab und in sich zusammenfiel. Reyna zuckte zusammen und runzelte wütend die Stirn.
„Sieh dir das an!“, fuhr sie den schwarzen Vogel an, der sich auf das Bettgestell gerettet hatte. Es war ja eigentlich nicht seine Schuld, aber sie war so wütend, dass sie gern jemanden angeschrieen hätte. Vorzugweise Zephyrim, aber der war nicht da – und selbst wenn, sie hätte es niemals gewagt gegen ihn das Wort zu erheben – und so musste eben sein Diener herhalten.
„Das werde ich melden und du wirst mir alles davon ersetzen!“ Wobei sie sich nicht sicher war, ob dieses seltsame Tier irgendetwas besaß oder überhaupt nur über sich selbst entscheiden konnte.
Sie spürte, wie er sie beobachte, als sie sich bückte, um die Bücher zu retten. Sein Blick kam ihr wie immer so durch und durch menschlich vor, dass ihr mit Nachdruck bewusst wurde, dass sie noch immer nackt im Zimmer stand.
Sie blinzelte ihn wütend an, ließ sich allerdings Zeit damit, zum Schrank zu gehen, um ihre Sachen zu holen. Jene von gestern Abend musste Noe mitgenommen und in die Wäscherei gegeben haben. Sie arbeitete seit kurzem Nachts, was aber noch niemand weiter wusste. Wie immer fühlte Reyna dankbare Zuneigung zu dem hellhaarigen Mädchen und nahm sich vor, dieses mit etwas Schönem zu überraschen.
Als sie die braune, eng anliegende Hose trug und darüber das weiße, einfache Hemd, den dunkelgrünen Wams, der hinten bis an die Knie reichte, vorn bis knapp zur Hüfte, fühlte sie sich bedeutend wohler. Sie schlurfte hinüber zum Bett und griff, auf diesem sitzend, zu ihren Socken. Danach zwängte sie sich in ihre knielangen, schwarzen Stiefel und nahm, noch im Aufstehen, ihren weinroten, bodenlangen Umhang.
„Zufrieden?“, maulte sie den Raben an und deutete seine Kopfdrehung als Zustimmung. „Ist ja gut, ich mach ja schon.“
Sie hielt ihren rechten Arm ausreichend lange neben sich, dass Schwalbe auf ihm Platz nehmen konnte und öffnete die Tür.
In den meisten anderen Räumen war schon niemand mehr, wurde Reyna schnell klar, als sie auf dem Flur stand. Keinerlei Geräusche, kein Knarren, Scheppern oder Fluchen war zu hören. Die meisten Bewohner dieses Hauses hatten, anders als Reyna und Noe, Familie und Freunde am Stadtrand beim Turm und dieser war für gewöhnlich am heftigsten betroffen. So war also alles auffallend still und Reyna nahm an, dass obendrein noch eine Versammlung auf einem der zentralen Plätze einberufen worden war. Die Herolde mussten hier schon vorbeigekommen sein und sie runzelte etwas verärgert die Stirn. Es hatte ihr niemand bescheid gesagt und dabei müssten alle wissen, wie tief ihr Schlaf war und dass man auf ihrer Seite des Hauses nichts von den Dingen mitbekam, die auf der Hauptstraße passierten. Nun gut, vielleicht hatten die anderen auch gedacht, Noe hätte ihr schon bescheid gesagt, aber diese musste noch bei ihrem geheimnisvollen Arbeitgeber sein, was ihre Nachbarn nicht wissen konnten, da Noe das nicht wollte.
Versöhnlicher gestimmt setzte Reyna ihren Weg fort und ignorierte standhaft das antreibende Ziepen von Schwalbes Schnabel in ihren Haaren.
Auf der Treppe blieb sie kurz stehen und betrachtete stirnrunzelnd die feinen Risse, die die Wände bekommen hatten. Da musste der Hausverwalter sicher einen Bauherren holen lassen und würde dies garantiert auf den Mietpreis aufschlagen. Der missmutige, dickbäuchige Mann wartete schon ein volles Jahr darauf, genau das tun zu können und nun war seine Gelegenheit da.
Im zweiten und schließlich im Erdgeschoss bot sich ihr das gleiche Bild. Manchmal waren auch kleinere Stücken von den Wänden gebrochen und feiner Staub rieselte durch die Luft. Seufzend öffnete Reyna die Tür, die nach draußen führte. Also wenigstens hätten die Magier es ankündigen können! Es war ja im Prinzip nichts dagegen einzuwenden, dass sie ihrer Magie nachgingen, ganz im Gegenteil, es erleichterte ja ihrer aller Leben ungemein. Doch musste es immer in Erdbeben, Gewitterstürmen und Feuerkugeln enden?
Mit einem Schaudern dachte sie an ihren ersten Tag bei Zephyrim, als sie etwas berührt hatte, was sie nicht hätte berühren dürfen. Das war ihr eine Lehre gewesen und sie hatte danach nie wieder den Wunsch verspürt, dies zu wiederholen. Oder gar selbst die Kunst der Magie zu erlernen, so wie Zephyrim es ihr angeboten hatte, als er merkte, dass sie sich eingehender mit gewissen Dingen beschäftigt hatte, als seine früheren Gehilfen.
Auf der Straße herrschte ein reger Menschenverkehr, obwohl auch gelegentlich Angehörige anderer Rassen zu entdecken waren. Und natürlich die in Rot und Gold gekleideten Lakaien, die halb Mensch und halb Tier waren. Manchmal besaßen sie eine außergewöhnliche Körpergröße und schüchterten mit ihren Hundegesichtern nicht nur Reyna ein. Oft sah man auch zarte, elegante Gestalten mit Katzen- oder Vogelgesichtern vorbeihasten. Je nach Vorliebe ihres Erschaffers im fünften Turm.
Es gab zwar nun seit einigen Monaten die Vereinigung zur Rettung der Lakaien, die behauptete, es sei falsch, Rassen und Lebewesen zu kreuzen, ja sogar wider der Natur, aber kaum jemand nahm sie ernst. Niemand konnte sich ein Leben ohne die hilfreichen Kreaturen vorstellen.
Reyna wandte sich nach links und fügte sich in den Strom ein. Die Häuserfront, die gegenüber ihres Wohnhauses lag, war nur Verheirateten vorbehalten und sie sah durch die unteren, hell erleuchteten Fenster, wie Frauen und Kinder mit dem Einsammeln der Scherben begannen.


Zusammenfassung Woche 1


Die erste Woche des Schreibens ist rum. Sie ist mir unglaublich schwer gefallen. Zum einen ist es gar nicht (mehr) so einfach, das Schreiben in den Alltag zu integrieren, wenn man nicht mehr Schüler oder Student ist. Und zum anderen sind so viele außerplanmäßige Dinge geschehen, dass ich selbst oft nicht motiviert war.

04.01. Prolog (1)
05.01. Prolog (2)
06.01. Prolog (3)

Der aufmerksame Beobachter wird bemerken, dass es sich hier nur um vier Tage des Schreibens handelt. Aber ich habe ja heute noch und möchte das auch nutzen. Falls ich es nicht schaffen sollte, wandern 10 Euro in den Spendentopf, der am Ende des Jahres an eine Hilfsorganisation gehen soll.
Der Prolog ist aber fertig und wird von mir gesondert, dafür aber gesamt gepostet werden und als Link an den Seitenrand des Blogs gestellt.
Mein Dank geht an Darkstar, der mir gezeigt hat, dass echte Menschen das hier lesen und dass ich deswegen nicht nervös werden muss.

PS: Wer nicht öffentlich etwas sagen will, kann mir auch schreiben unter:
der_achte_turm[at]gmx.de

HANDLUNGSZUSAMMENFASSUNG

Im Prolog taucht die Zauberin Xanaide auf und befreit mit einigen Getreuen ein Wesen, das viele Jahrhunderte eingesperrt gewesen ist. Nicht mehr, als ein bloßer Schatten, kehrt das Leben nur langsam in dessen goldene Augen zurück.
Beide sind voller Hass auf die Magier und Xanaide gewinnt ihn für ihre Sache, die Ära der Türme enden lassen zu wollen.

In Kapitel 1 wird Reyna durch ein Erdbeben geweckt, das ihr Zimmer fast vollends verwüstet. Sie ist ungehalten, da sie weiß, dass es vom Turm, um den sich ihre Stadt Espiral gebildet hat, ausgegangen ist. Sie arbeitet für einen Magier namens Zephyrim, der ihr seinen Diener, einen schwarzen Raben, schickt.
Irgendetwas stimmt nicht, aber auch Reynas Vertrauen in die Magier geht weit, so dass sie nur missmutig den Tag beginnt.


Prolog (gesamt)


Am Anfang war das Wort.
Es hallte über gewaltige Felsformationen, wehte über das Wasser der Meere, blies in Felder und Wiesen und rauschte durch uralte Wälder. Tausende Kehlen gaben es wider, doch sollte es Abermillionen Jahre dauern, ehe es einem Geschöpf gelang, das Wort in Stein zu bannen.
Im Dunkel der Zeit geriet es in Vergessenheit und kein Mund, Maul oder Schnabel konnte sich erinnern, wie man es formen musste.
Allein in Stein gemeißelt, wispert es hin und wieder; dann wogen die Gräser und tragen es über schwarze wie braune Erde, manchmal auch über ocker- oder rotfarbene. Doch Salzwasser ist ihm fremd geworden und an die mächtigen Stämme von Eiche und Kastanie vermag es sich nicht zu erinnern. Seine Macht schwindet, der Hauch allen Anfangs vergeht.
Und am Ende war das Wort.

***

Über den Hügeln von S’harn S’huk nahe der Ebene der Draaks lag die Nacht wie ein samtschwarzes Leichentuch, anschmiegsam und wunderschön. Silberner Nebel wallte über den Boden, erhellte trotz des fehlenden Mondes die Umgebung spärlich. Dunkle Gestalten in langen Umhängen gingen in einer geraden Linie über das Gestrüpp, das der lange Sommer zurückgelassen hatte. Die Wurzeln der Farne und kleineren Pflanzen waren nicht lang genug gewesen, um das Wasser tief im Erdboden zu erreichen und zugrunde gegangen. Die wenigen Bäume, die hier standen, verloren schon jetzt, Wochen zu früh, ihr Blattwerk und wirkten wie seelenlose Skelette, die in grenzenloser Not die Arme gen Himmel gestreckt um Hilfe schrieen.
Seit Jahrhunderten war diese Gegend verlassen; alte Legenden hielten die Völker davon ab, zwischen den Hügeln eine Existenz aufzubauen. Doch hatte der Landstrich auch nur wenig zu bieten, so dass es niemanden dazu trieb. Die Wenigen, die meinten, das Geheimnis der Mythen ergründen zu müssen, kehrten entweder nicht zurück oder wussten den Mund zu halten.
Die acht Gestalten störte das nicht, denn sie waren sich und ihrer Sache gewiss. Macht umgab jeden ihrer Schritte und die Magie, die sie woben und die auf noch kein Ziel gerichtet war, ließ die Luft flirren.
Erste Blitze zuckten am Himmel und tauchten alles in ein bläuliches Licht. Sie kündeten kein nahes Gewitter an, wie es Flora und Fauna gebraucht hätten, sondern das Ende einer Ära.
Das steinerne Grabmal, von Wind und Regen fast unkenntlich gemacht, bebte, als die Gestalten sich darum formierten. Umhänge wurden zurück geschoben und Arme, die nicht alle nur menschlich waren, streckten sich dem Stein entgegen. Eine helle Frauenstimme flüsterte jene Worte, die nicht wieder ausgesprochen gehörten.
Der Boden erzitterte, erst leicht und kaum spürbar, dann heftiger und der Stein bewegte sich zögernd. Mit der Wut der Erde wurde auch das Wirken des Findlings stärker, schien er sich bestätigt zu fühlen, in dem, was er tat. Er dehnte sich aus und feine Risse zogen Furchen über seine Schale. Die Anführerin derer, die die verbotene Magie benutzten, sog kraftvoll mit nach oben gerichtetem Antlitz magiegeschwängerte Luft in ihre Lungen und richtete dann unvermittelt mit einem einzigen Ausatmen ihre schlanken Finger auf ihr Ziel. Gewaltige Blitze, vollgesogen mit reiner Energie, schossen vom Himmel und zerschmetterten das Grabmal unter großem Getöse.
Ein Seufzen erklang, fast unhörbar vor den Lauten der herbeigezwungenen Natur und dann durchdrang ein Schrei das plötzliche Schweigen. Die Welt schien still zu stehen und die Aufmerksamkeit aller richtete sich auf den schwarzen Schatten, der sich anstelle des Steines dem Himmel entgegen erhob. Er streckte sich, als sei er viel zu lange eingesperrt gewesen, dann schnüffelte er und schließlich richteten sich seine Augen auf die Personen, die einige Schritte vor ihm standen. Diese Augen waren rot gerändert und es blitzte golden aus ihnen heraus.
Er bleckte die Zähne und knurrte, so als könne er sich nicht daran erinnern, dass er einstmals kein Tier gewesen war. Seine Sinne waren in der langen Zeit der Gefangenschaft geschärft worden, doch konnte er die Nähe zu anderen Lebewesen noch längst nicht ertragen. Als er sich der Gestalten bewusst wurde, zog er seine Muskeln zusammen und setzte zum Sprung an. Doch ehe er überhaupt dazu kam, hob die Frau an zu sprechen: „Gehorche!“
Der Schatten lachte rau.
„Gehorche!“, wiederholte sie, nicht im mindestens beleidigt.
In den Augen blitzte es und er knurrte, als er sprang. Keinen Schritt vor der Anführerin blieb er mitten in der Luft hängen, als hätte man ihn in Stein gehauen. Etwas hielt ihn fest und als er verstand, dass sie dies mit Magie zuwege brachte, schrie er seinen Zorn darüber in die Nacht hinaus. Doch er konnte sich noch immer nicht rühren. Schließlich lachte er, weil ihm klar wurde, dass man ihm nicht schaden wollte, denn wäre es so, er würde längst nicht mehr leben.
Sie kam näher und ihre Nase berührte fast sein Kinn, als sie ihm lächelnd mit den weichen Fingerspitzen langsam über die Wange fuhr. An ihrer Stimme jedoch war nichts sanft. „Ich bin Xanaide. Ich bin deine neue Meisterin.“
Ein schöner roter Knospenmund und helle, blaue Augen. Unter der Kapuze musste gelbes Haar liegen, das hatte er immer am meisten gemocht. Sicher keine Schande, einer wie dieser zu dienen. Einer Zauberin und einer unglaublich mächtigen noch dazu. Die Bande, die ihn über Jahrhunderte hinweg gebunden hatten, waren von den sieben stärksten Magiern seiner Zeit gesprochen worden.
Und er brauchte Zeit, um sich zu orientieren.
„Befiehl mir, Meisterin“, sagte er krächzend, weil seine Stimme viel zu lange unbenutzt gewesen war und er sie – wie vieles andere auch – erst wieder schärfen musste.
Sie lächelte und trat einen Schritt zurück, ohne den Blick von ihm zu nehmen. „Oh, es wird dir nicht missfallen, was ich dich tun lassen werde.“ Ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Dein Hass auf alles was magisch ist und jene, die Magie ausüben muss grenzenlos sein.“
Er runzelte die Stirn und es grollte ungewollt in seiner Brust, was sie zu erfreuen schien.
„Was, wenn ich dir sage, dass die Ära der Türme enden wird? Was, wenn ich dir sage, dass eine neue Art im Begriff ist zu entstehen?“
Sie hatte ihn mit diesen wenigen Worten mehr an sich gebunden, als es jeder Zauber oder jede Eisenkette es jemals vermocht hätten. Er drehte den Kopf zu den anderen Gestalten, die er nur unscharf erkennen konnte und seine Augen weiteten sich vor aufkeimenden Interesse. Das Weib glaubte, was es sagte und sie war aus vielerlei Gründen fähig, wahr zu machen, was sie wollte. Sie musste jedoch entweder komplett verrückt sein oder unheimlich begabt. Er lachte kurz, als er sich daran erinnerte, dass man ihm selbst auch beides nachgesagt hatte.
Sie drehte sich von ihm fort und mit dem Rücken zu ihm, deutete sie ihren Gefährten an, ihn frei gehen zu lassen. Unsanft kamen seine bloßen Füße auf dem Boden auf.
„Merke dir meinen Namen gut“, sprach sie, ohne sich umzuwenden. „Verkünde ihn jenen, die nicht auf unserer Seite stehen – und wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“
Sie wollte also deren Tod.
„Xanaide.“ Sie drehte sich so heftig um, dass ihr die Kapuze vom Kopf rutschte und den Blick auf Haar frei gab, dessen roter Schein nicht einmal vom Dunkel der Nacht überdeckt wurde. „Xanaide, die neue Herrscherin über dieses Land. Xanaide, die Schöpferin des achten Turms.“
Ihr Lachen begleitete ihn fortan durch seine Träume.


Freitag, 8. Januar 2010

Kapitel 1 (1)


Reyna schreckte hoch und wusste sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Verwirrt blinzelte sie in das Halbdunkel des Raumes und seufzte.
Der Tisch hielt sich gerade eben noch in einer gefährlichen Schräglage, da die Holzscheite unter seinem kurzen Bein verrutscht waren. Die Flasche, in der eine halb herunter gebrannte Kerze steckte, stand nach wie vor aufrecht in der Mitte des Tisches, aber nur, weil das nach unten getropfte Wachs sie dort festhielt.
Die in Leder gebundenen Bücher und die losen Blätter hatten weniger Glück gehabt. Sie waren unweigerlich auf den Boden gerutscht und teilweise sogar in das am Abend benutzte Geschirr gefallen.
Das war nicht gut, denn es waren nicht ihre eigenen Bücher und das mit dem Tisch in letzter Zeit einmal zu oft passiert. Zum Glück waren die Becher nicht aus Glas oder Porzellan, wie jene im Turm, denn sonst wäre ihnen ein unheilvolles Schicksal bestimmt gewesen. Aber auch das beständigste Holz bekam irgendwann unweigerlich ein paar Risse, wenn man es hin und her warf.
Sie rollte mit den Augen und wollte sich gerade aufsetzen, als der Boden erneut zu vibrieren begann. Erst ganz sacht, waren seine Bewegungen kaum zu spüren und sie glaubte schon, sich geirrt zu haben. Aber dann begann ihr Waschgeschirr auf dem kleinen Beistellschrank an der Wand gleich neben der Tür zu klirren und in dem Maße, wie der Boden seine Bewegungen verstärkte, so schwoll auch das Klappern an. Wie gut, dass die Schüssel, in die man das Waschwasser aus dem Krug goss, fest am Holz des Schrankes befestigt war.
Die Hände fest an den Bettkasten geklammert, wagte sie kaum zu atmen und wurde ziemlich durchgeschüttelt. Feiner Staub und Mörtel rieselten von Wand und Decke und bewegten sich wabernd durch die Luft. Einige der losen Blätter flatterten vom Tisch, auch das letzte Buch rutschte mit einem Knall zu Boden und verfehlte dabei nur knapp einen der Teller.
Reyna hustete, als die Erde wieder langsam zur Ruhe kam und hörte dann auch schon die ersten gedämpften Schreie. Wütend entspannte sie sich im Liegen und schloss die Augen. Es war doch jedes Mal das gleiche! Und schon wieder nicht angekündigt!
Mit einem heftigen Ausatmen schlug sie die Augen wieder auf und quälte sich lustlos aus dem Bett, denn an Schlaf war in dieser Nacht ohnehin nicht mehr zu denken.
Barfuss ging sie über die kalten Holzdielen durch die Gräue der endenden Nacht hinüber zur Fensterfront und öffnete das Glas, um hinauszusehen. Der Geräuschepegel nahm abrupt zu und sie roch sofort, dass wieder irgendetwas in Flammen aufgegangen war.
So weit nach vorn gelehnt, wie sie konnte, drehte sch Reyna mit aufgestützten Ellenbogen den Kopf nach rechts und sah hinauf zum Turm.
Die schlanke Konstruktion, die Reyna immer an eine langstielige Rosenknospe erinnerte und die sich bis weit in den Himmel zog, war hell erleuchtet. Hinter allen Öffnungen strahlte gelbes, grünes oder purpurfarbenes Licht, was bedeutete, dass jeder einzelne Magier an was auch immer hier geschehen war, beteiligt gewesen sein musste. Großartig!
Aber Zephyrim, ihr Arbeitgeber, sollte sich bloß nicht einbilden, dass sie diesmal so einfach darüber hinweggehen würde. So eine große Sache hätte nun wirklich angekündigt werden können und er hatte ganz eindeutig ein paar direkte Worte verdient!
Plötzlich blinzelte sie, als ihr Blick sich auf das obere Ende des Turmes richtete. War das Einbildung? Nein, die Knospe war tatsächlich in Bewegung geraten und schien sich zu öffnen. Doch da war noch mehr. Graue Schatten bewegten sich im Nebel.
Sie erschrak.
Die Magier hatten die Drachen gerufen? Dann musste etwas geschehen sein und etwas ernstes noch dazu. Aber was immer es war, es ging nur die Magier etwas an.
Die Leine, die sie zwischen ihrem Fenster und einem des Nachbarhauses gespannt hatte, um ihre Wäsche zu trocknen, pendelte hin und her, als sich ein Rabe auf ihr niederließ.
Reyna zuckte zusammen und wäre fast vorn über gefallen, konnte sich im letzten Moment aber noch fangen und starrte das Tier wütend an. Langsam hüpfte der Rabe näher und sie stöhnte.
Da öffnete sich im Haus gegenüber, schräg unter ihr im zweiten Stockwerk, ein Fenster und ein verschlafenes Gesicht starrte hinaus. Reyna lächelte und gab ihrer Freundin ein paar Augenblicke, um sich zu orientieren.
Zilli hatte unverkennbares rotes Haar, welches ihr in kurzen Wellen auf die Schultern fiel und ihre Sommersprossen auf der kleinen, spitz zulaufenden Nase wurden von Jahr zu Jahr immer mehr. Sie lebte zusammen mit ihrer Mutter und zwei Schwestern in einem Raum, der kleiner war als Reynas eigener, aber sie beklagte sich nie.
Zuerst starrte sie nach unten in die enge Seitengasse, die die beiden Häuser trennte. Als Kinder hatten sie noch mit ausgestreckten Armen durchlaufen können, aber jetzt waren sie beide der Enge dort unten entwachsen. Außerdem wurde es schon am frühen Nachmittag stockfinster da unten und man konnte nie wissen, was vor einem auf dem Boden lag und sich vielleicht gar noch bewegte.
Zilli reckte sich nun auch so weit vor, wie sie nur konnte und spähte hinauf zum Turm. „Verfluchte Magier“, brummelte sie ungehalten.
„Lass das nicht deine Mutter hören“, antwortete ihr Reyna halb mahnend und halb spöttisch mit grinsendem Gesicht.
Zilli ruderte, aus dem Gleichgewicht gebracht, kurz mit den Armen, fing sich dann wieder und blickte wütend nach oben. Als sie erkannte, wer da mit ihr gesprochen hatte, lächelte sie leicht verschämt und nickte. Dann deutete sie auf den Raben.
„Muss ja enorm wichtig sein, wenn er dir jetzt seinen Diener schickt.“
Reyna nickte. „Glaube ich auch.“
Zilli lächelte noch breiter.
„Und? Willst du dich nicht beeilen?“
Reyna schob, doch ein wenig errötend, die Lippen vor und schüttelte den Kopf. „Soll er doch sehen, wie er ohne mich zurechtkommt. Vielleicht begreift er ja dann, dass er auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut ist.“
Sie grinsten sich beide an, bis Zilli auf mehrere Rauchsäulen auf der gegenüberliegenden Seite des Turmes deutete. „Was denkst du, ist es diesmal?“
Reyna zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht wieder ein Kornspeicher. Oder eine der alten Mühlen.“
„Ich glaube, es ist die Brauerei.“
Sie sahen sich verschwörerisch in die Augen.
„Eine Tüte Saure Drops?“, fragte Reyna und Zilli nickte lächelnd.
„Ja gut, abgemacht. Aber jetzt muss ich sehen, was Mutter diesmal an Entschuldigungen findet“, erklärte sie mit einem Seufzer.
Reyna lächelte still in sich hinein. Zillis Mutter war hier in E’spiral unter der Herrschaft des fünften Turmes geboren und das hatte sie natürlich sehr geprägt. Anders in etwa als ihre Kinder, die trotz der gleichen Herkunft kein so unerschütterliches Vertrauen in die Magier und ihre Türme besaßen.
Reyna schrak aus ihren Gedanken auf, als Schwalbe, der Rabe, vor ihr auf das Fensterbrett hüpfte. Sie musterte ihn, ohne das Gesicht zu verziehen und fragte sich nicht zum ersten Mal, wie Zephyrim diesem hässlichen Tier so einen Namen hatte geben können.
„Ja gut, komm rein. Ich bin gleich soweit.“
Missmutig ließ sie ihn hinein und schloss sorgfältig das Fenster.


Mittwoch, 6. Januar 2010

Prolog (3)


Er bleckte die Zähne und knurrte, so als könne er sich nicht daran erinnern, dass er einstmals kein Tier gewesen war. Seine Sinne waren in der langen Zeit der Gefangenschaft geschärft worden, doch konnte er die Nähe zu anderen Lebewesen noch längst nicht ertragen. Als er sich der Gestalten bewusst wurde, zog er seine Muskeln zusammen und setzte zum Sprung an. Doch ehe er überhaupt dazu kam, hob die Frau an zu sprechen: „Gehorche!“
Der Schatten lachte rau.
„Gehorche!“, wiederholte sie, nicht im mindestens beleidigt.
In den Augen blitzte es und er knurrte, als er sprang. Keinen Schritt vor der Anführerin blieb er mitten in der Luft hängen, als hätte man ihn in Stein gehauen. Etwas hielt ihn fest und als er verstand, dass sie dies mit Magie zuwege brachte, schrie er seinen Zorn darüber in die Nacht hinaus. Doch er konnte sich noch immer nicht rühren. Schließlich lachte er, weil ihm klar wurde, dass man ihm nicht schaden wollte, denn wäre es so, er würde längst nicht mehr leben.
Sie kam näher und ihre Nase berührte fast sein Kinn, als sie ihm lächelnd mit den weichen Fingerspitzen langsam über die Wange fuhr. An ihrer Stimme jedoch war nichts sanft. „Ich bin Xanaide. Ich bin deine neue Meisterin.“
Ein schöner roter Knospenmund und helle, blaue Augen. Unter der Kapuze musste gelbes Haar liegen, das hatte er immer am meisten gemocht. Sicher keine Schande, einer wie dieser zu dienen. Einer Zauberin und einer unglaublich mächtigen noch dazu. Die Bande, die ihn über Jahrhunderte hinweg gebunden hatten, waren von den sieben stärksten Magiern seiner Zeit gesprochen worden.
Und er brauchte Zeit, um sich zu orientieren.
„Befiehl mir, Meisterin“, sagte er krächzend, weil seine Stimme viel zu lange unbenutzt gewesen war und er sie – wie vieles andere auch – erst wieder schärfen musste.
Sie lächelte und trat einen Schritt zurück, ohne den Blick von ihm zu nehmen. „Oh, es wird dir nicht missfallen, was ich dich tun lassen werde.“ Ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Dein Hass auf alles was magisch ist und jene, die Magie ausüben muss grenzenlos sein.“
Er runzelte die Stirn und es grollte ungewollt in seiner Brust, was sie zu erfreuen schien.
„Was, wenn ich dir sage, dass die Ära der Türme enden wird? Was, wenn ich dir sage, dass eine neue Art im Begriff ist zu entstehen?“
Sie hatte ihn mit diesen wenigen Worten mehr an sich gebunden, als es jeder Zauber oder jede Eisenkette es jemals vermocht hätten. Er drehte den Kopf zu den anderen Gestalten, die er nur unscharf erkennen konnte und seine Augen weiteten sich vor aufkeimenden Interesse. Das Weib glaubte, was es sagte und sie war aus vielerlei Gründen fähig, wahr zu machen, was sie wollte. Sie musste jedoch entweder komplett verrückt sein oder unheimlich begabt. Er lachte kurz, als er sich daran erinnerte, dass man ihm selbst auch beides nachgesagt hatte.
Sie drehte sich von ihm fort und mit dem Rücken zu ihm, deutete sie ihren Gefährten an, ihn loszulassen. Unsanft kamen seine bloßen Füße auf dem Boden auf.
„Merke dir meinen Namen gut“, sprach sie, ohne sich umzuwenden. „Verkünde ihn jenen, die nicht auf unserer Seite stehen – und wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“
Sie wollte also deren Tod.
„Xanaide.“ Sie drehte sich so heftig um, dass ihr die Kapuze vom Kopf rutschte und den Blick auf Haar frei gab, dessen roter Schein nicht einmal vom Dunkel der Nacht überdeckt wurde. „Xanaide, die neue Herrscherin über dieses Land. Xanaide, die Schöpferin des achten Turms.“
Ihr Lachen begleitete ihn fortan durch seine Träume.