Mittwoch, 13. Januar 2010

Kapitel 1 (5)


„Du hast lange gebraucht!“, fuhr sie eine tiefe Männerstimme an. Eine schwarze Wolke waberte an ihr vorbei und ergoss sich schließlich in ein dickes, zylindrisches, hüfthohes Gefäß. Tentakel lösten sich und färbten sich grün sobald sie die kristallenen Wände berührten, aber sie strebten nicht hinaus.
„Igare Halin“, sagte die gleiche Stimme fast singend und die Wolke färbte sich durchsichtig, bevor sie verschwand.
„Also. Was hast du zu deiner Entschuldigung vorzubringen?“ Die violetten Augen des Magiers richteten sich auf sie. Zephyrim war der Nachkomme so ungefähr jeden Volkes, das es gab und auch wenn er in erster Linie menschlich wirkte, so war es ein Blick aus diesen Augen sicher nicht.
„Es herrscht Chaos. Ich bin nicht gut vorangekommen“, leierte sie herunter. Er hatte diese Worte schon einmal zu oft gehört und nur die Götter wussten, warum er sie jedes Mal als wahr akzeptierte. Er nickte auch diesmal, den Raben auf seinem Arm balancierend. Sein Gewand reichte bis zum Boden und war mit Silberfaden bestickt. Die Farbe schwankte je nach Lichteinfall von schwarz zu dunkelblau zu Purpur und manchmal war es erschreckend, wie sehr es seine Augen betonte.
„Ich habe einen Auftrag für dich, aber es eilt.“ Er drehte sich um und setzte den Vogel auf einem goldenen Gestell ab. Sie selbst durfte sich hier noch nicht einmal auf den wackeligen Holzstuhl setzen, der neben dem Aufzug stand.
Das Beben hatte in den Gemächern und Laboratorien Zephyrims nach einem ersten, spähenden Blick offenbar nicht so viel Unordnung verursacht, wie Reyna es zunächst angenommen hatte und doch mehr, als gewöhnlich. Das Aufräumen konnte aber unmöglich länger als bis zum Mittag dauern, was gut war, denn dann würde sie vielleicht doch noch etwas von diesem Tag haben. Mit zusammengepresstem Kiefer dachte sie daran, dass sie noch einen Tisch zu reparieren und Bücher zu ersetzen hatte. Sie lief ein paar Schritte zu einer abseits liegenden Tür und holte von dort Besen, Eimer und Lappen. Als sie sich umdrehte, stand Zephyrim hinter ihr und starrte sie wütend an.
„Was tust du da?“
Reyna runzelte die Stirn. Was glaubte er denn wonach es aussah?
„Leg das weg und komm!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich der Magier um. Er hatte die dunklen Haare zu vielen kleinen Zöpfen geflochten, die bei der Bewegung leise klackten, weil die Perlen darin aneinander gerieten. Neuerdings flocht er sich auch bunte Wollfäden in einige der Zöpfe, was ihm so langsam das Aussehen eines bunten Paradiesvogels verlieh. Aber das würde sie ihm nie sagen, denn er war, obwohl er es sicher nie zugeben würde, sehr eitel.
Der weite Raum, in den sie ihm vom Vorraum der Aufzüge aus folgte, war voller Gläser, Flakons, großen und kleinen Kesseln, Tieren in Käfigen und natürlich Büchern. Unzählige Papiere und Pergamentrollen lagen herum, aber Reyna wusste, dass Zephyrim das eben so wollte. Wehe sie fasste sie an!


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