Dienstag, 16. Februar 2010

Kapitel 2 (6)


In dem dunklen Kellerraum waren mindestens zwei Menschen. Noe konnte sie nicht sehen, aber ihre Sinne hatten sich in den letzten Monaten rapide verschärft und außerdem war einer von ihnen offenbar zu nahe an die Draaks gekommen. Er stank fürchterlich.
„Ungezieferbekämpfung“, sagte sie und spürte, dass ihr weniger Misstrauen entgegenschlug, so als wäre ein frischer Luftzug durch den kleinen Raum gefahren.
Ein Lichtkegel fiel auf ihr helles Haar, als sich eine Tür öffnete und den Blick auf einen langen Gang frei gab. Noe stieg drei hölzerne Stufen hinauf und folgte dem Weg dann, ohne groß darüber nachzudenken, wohin sie ihren Fuß setzte. Im vorrübergehenden Mutterhaus der Schwarzen Garde fühlte sie sich wie zuhause, obwohl sie sehr gut wusste, dass auch hier das Unheil überall lungern konnte. Man konnte nie wissen, ob nicht jemand der Organisation auf die Schliche gekommen war und sich eingenistet hatte, wie eine Made im Gedärm von Aas.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Noe überlegte nicht lange und griff zu. Sie bog den Arm des anderen auf seinen Rücken, zog im gleichen Moment ihren Dolch und presste den Leib hart gegen die Wand.
„Langsam, langsam“, lachte Astart. „Ich wollte dich nur begrüßen, nicht ermorden.“
Zoe stöhnte innerlich auf. Sie hatte mit dem Mann zusammen angefangen und war mit ihm durch die harte Zeit der Ausbildung gegangen, bis sie beide ihre erste Prüfung bestanden hatten. Das hieß aber noch lange nicht, dass sie ihn auch mochte. Langsam zog sie ihren Dolch von seiner Kehle und trat einen Schritt zurück. Er löste sich von der Wand, die einen leichten Abdruck auf seiner rechten Wange hinterlassen hatte und zupfte an seiner Kleidung herum. „Mann. Das hätte ins Auge gehen können.“
Er würde nie verstehen, dass er selbst hier wachsam sein musste. „Was willst du?“, fragte sie ihn ungehalten.
Er reckte theatralisch seinen Hals und es knackte hörbar. „Ich wurde zurück gerufen. Es gibt einen Neuankömmling, den man uns vorstellen will.“
Sie zog die Augenbrauen nach oben. „Wen?“
Astart zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber muss ein hohes Tier sein, sie sind ganz aufgeregt.“
Noe nickte und wollte dann wortlos weiter gehen, als er sie zurück hielt.
„Sie sind wütend.“
Sie lachte. „Natürlich sind sie das. Nach den erneuten Beben ist das doch kein Wunder oder?“
„Nein, ich meinte, sie sind wütend auf dich. Ich habe deinen Namen noch nie so oft gehört, wie in den letzten zwei Stunden.“
Noes Gesicht blieb ausdruckslos, auch wenn ihr ziemlich mulmig bei diesen Worten wurde. „Du sollst nicht an den Türen lauschen.“
Er grinste sie an. „Ich wollte dich nur warnen.“
War das ein Zwinkern? Sie stöhnte innerlich, als ihr klar wurde, dass er hier auf sie gewartet haben musste, um mit seinem Wissen bei ihr anzugeben.
„Das brauchst du nicht, ich komme gut allein zurecht.“ Damit ließ sie ihn mit seinem seltsamen Ausdruck in den Augen zurück.
An der letzten Tür standen zwei schwarz gewandete Frauen und sahen ihr neugierig entgegen. Aber sie sagten kein Wort, die Linke der beiden deutete nur mit einem Kopfnicken an, dass Noe eintreten konnte. Einen Moment blieb sie noch stehen und lauschte den Geräuschen hinter der Holzwand. Vorn fertigte eines ihrer Mitglieder Schuhe und verkaufte zuweilen auch ein Paar davon, damit sich niemand fragte, was in diesem Haus wirklich vor sich ging.
In dem kleinen Raum gab es zwei Tische mit unzähligen Pergamenten und riesigen Regalen an der Wand, die ebenfalls voller Pergamente waren. Noe blieb ruhig stehen, bis sich eines davon verschob und der Sekretär ihres Meisters sie hineinwinkte.
Nazan Brint war unglaublich hager und wirkte mit seiner Hakennase immer wie ein Greifvogel auf sie. Einer, der genau wusste, wie man sich am besten im vollen Flug auf sein Opfer am Boden stürzte. Seine Augengläser waren nach unten gerutscht und er sah sie darüber hinweg streng an, als sie kurz zögerte. Es nutzte nichts. Wenn man ungehalten über sie oder ihre Arbeit war, musste sie die Strafe akzeptieren und sich das nächste Mal eben besser anstrengen.


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